Wulflyns Magen machte sich erneut mit einen lauten Brummen bemerkbar. Mühsam
rappelte sie sich hoch. Es war bereits spätabends und sie hatte noch keinen
Bissen gegessen. Nun wurde es Zeit. Langsam nahm sie sich ein Teller und
füllte ihn mit gebratenen Boobrie-Eiern, gedampfenen Erdäpfeln und ein Stück des
verbliebenen gebratenen Schweines, welches über warmen Kohlen hing. Seufzend
stellte sie fest das die Portion die sie sich aufgeladen hatte für mindestens
zwei Leute reichen würde. Doch Hunger war Hunger und sie war sich sicher das sie
alles in ihren Magen kriegen würde.
"Willst du das alles essen ?" Greta
runzelte zweifelnd ihre Stirn. "Aye! Ich hab den gesamten Tag noch nichts zu
mir genommen. Meinen Hunger kann man mir also verzeihen." "Du wirst
irgendwann so dick wie ein Troll werden wenn du soviel isst." "Wenn ich aber
Hunger habe? Ausserdem ist mir das egal ob ich dick bin oder nicht. Hauptsache
es schmeckt." zur Bestätigung schob sie sich ein grosses Stück vom Boobrieei in
den Mund und kaute zufrieden.
Schnell folgten Erdäpfel, Fleisch und das
restliche Ei. Zufrieden schlcukte sie das letzte Stück hinunter.
Gedankenverloren leckte sich Wulflyn die Finger ab. Greta hatte erwähnt das ihre
Eltern sie sprechen wollten. Aber sie waren kein einziges Mal in der Küche
erschienen. Und da sie genau wussten wo sie war, stellte sich die Frage was sie
aufgehalten hatte. Ihr würde es nichts ausmachen, erst morgen das Gewitter über
ihren Kopf abzubekommen. Vielleicht konnte sie wieder einmal in Ruhe in ihre
Kammer zurückkehren, ohne vorheriges streiten. Voller Hoffnung stand sie auf
und machte sie sich daran, das restliche schmutzige Geschirr, abzuwaschen.
Vergnügt summte sie dabei ein Lied, welches sie vor kurzem gehört
hatte.
Das Lied erzählte von der Dummheit der Albioner, die versucht
hatten, eine starke Grenzfeste Midgards, ohne jegliche Rammen einzunehmen.
Das leise öffnen und schliessen der Tür hatte sie nicht mitbekommen und
war dementsprechend erschrocken als Helen zu ihr sprach.
"Es freut mich
das du guter Laune bist." "Hmmm." "Wenn du mit deiner Arbeit fertig bist,
müssen wir reden. Ich hab heute, sagen wir, Guthilf und ich, haben uns heute
etwas unterhalten und auch etwas zugestimmt." "Ja Mutter. Es dauert nicht
mehr lange. Soll ich dann zu Euren Räumen kommen ?" "Aye. Beeil
dich."
Verwundert hat Wulflyn während des Gesprächs etwas festgestellt.
Keine zornige Stimme, kein schneidendes Gebrüll ? Misstrauisch trocknete sich
Wulflyn ihre Hände ab. Zu guter letzt fegten sie und Greta den
Boden.
"Ich werde hier abschliessen Greta, geh du nur." "Gut. Bis
morgen Kind. Schlaf gut." "Du aber auch." lächelnd verabschiedete sich
Wulflyn von der davonwatschelnden Greta.
Mit Absicht lies sich Wulflyn
Zeit um die Kerzen zu löschen und die Tür zu verriegeln. Den eisigen Schlüssel
legte sie wie jeden Abend unter einen grossen Stein. Sie stellte sich
verschiedene Situationen in ihren Kopf vor. Hatte es mit Tonja etwas zut tun ?
Oder doch mit Thoralf ? Aber warum Thoralf ? Hastig verdrängte sie ihn aus den
Gedanken. Mittlerweile war sie sich sicher das Tonja der Grund war. Gedanklich
formte sie verschiedene Erklärungen zurecht, wie sie die Situation
herunterspielen konnte. Bestimmt war es wegen des schmutzigen Kleides. Was
sollte sonst anderes sein ? Endlich stand sie vor der Tür. Vorsichtig legte
sie ihr Ohr an und versuchte zu lauschen. Verflucht, warum redeten sie nicht ?
Vielleicht schliefen sie schon ? Mit Sorgfalt klopfte Wulflyn leicht an die Tür.
Wenn ihre Eltern schliefen, gab es ja die Möglichkeit sie so nicht zu wecken.
Hoffnung keimte auf, als sie nichts hörte. Erleichtert atmete Wulflyn auf und
machte sich dran zu ihren Zimmer zurückzukehren. Die Hoffnung verschwand
sofort als die Tür aufgerissen wurde.
"Komm doch rein Wulflyn." lächelte
Guthilf seine Tochter an.
Mit gesenkten Kopf trat Wulflyn ein. Helen sass
auf einen der Bänke, aufmunternd auf einen freien Platz deutend. Sie waren
offensichtlich bester Laune. Misstrauisch trat Wulflyn näher.
"Hattest du
heute einen angenehmen Tag Kind ?
Angenehmer Tag ? Der Tag war voller
Arbeit, was war daran angenehm ? Oder war das eine Falle? Erwarteten sie
vielleicht, das sie von sich aus das mit Tonja zur Sprache brachte ? Wulflyn
entschloß sich zur Flucht nach vorne.
"Ja, ich habe Tonjas Kleid mit
Schmutzwasser besudelt. Sie hat mich aber provoziert. Ich bin wirklich nicht
schuld. Sie..."
Wulflyn begann den ganzen Vorfall zu erklären. Über
ihren Kopf hinweg schickten sich Helen und Guthilf belustigte Blicke.
"..
und so habe ich ihr dann zum Schluss den Eimer übergeschüttet." endete Wulflyn.
Tief atmete sie durch und erwartete die Schimpftriade. Doch es kam nichts. Nur
Schweigen ? Was war los ? Zögernd blickte Wulflyn auf. Während sie erzählt
hatte, war ihr Blick ständig auf ihre knetenden Hände gerichtet.
"Den
Vorfall wissen wir, aber deswegen haben wir dich nicht gerufen. Das vergessen
wir ganz einfach. Es ist eher etwas freudiges. Warum hast du uns das nicht
erzählt Wulflyn? Ich denke du hast eine gute Wahl getroffen. Hast du dir
überlegt wann es stattfinden soll, und was du anziehst?
Wahl getroffen?
Stattfinden ? Anziehen ? Bei den Göttern worüber sprach ihre Mutter da? Und den
Vorfall vergessen ? Aus fragenden Augen sah sie ihre plappernde Mutter und den
grinsenden Vater an. Waren sie verrückt ?
"Selbstverständlich musst du
noch ein wenig warten. Von heute auf morgen kann man das nicht bewerkstelligen.
Das Festmahl findet natürlich hier im Wirtshaus statt." sprach Wulflyns Mutter
munter drauf los.
Was für ein Festmahl ? Mit was warten ? Wulflyn fühlte
sich unwohl. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Sie waren doch nicht wirklich
verrückt.
"... Wulflyn ? Wulflyn. Nun sag doch was dazu. Ist dir das
recht ?" "Wie ? Ja.. ja.. natürlich. Wie es dir beliebt."
Wulflyn
dachte angestrengt nach. Worauf wollten sie hinaus ? Sie registrierte kaum die
Sätze, nickte nur und lies gelegntlich ein "Aye" oder "Hmm" verlauten. Egal
wie sie überlegte, sie kam nicht drauf. Schliesslich drang das eben gesagte in
ihr Unterbewusstsein.
"WAS ? " blaffte Wulflyn. Ihr Gesicht wurde
zunehmend blasser. Ihre Hände verkrampften sich in ihren Kleid. Sie begann zu
zittern.
"Ich sagte, wir sind beide froh, das Thoralf dich zu seiner Frau
haben will. Er ist ein guter Junge, und dir wird es an nichts mangeln. Ach,
hättest du uns nur früher erzählt das er sich für dich interessiert. Ich wusste
gar nicht das ihr schon so oft einige Stunden gemeinsam verbracht habt. Ich
hoffe doch nur es war nichts unsittliches ? Nun, wie dem auch sei. Du hättest es
vorher sagen müssen, das du ihn gern hast. Was wird er den von uns denken ? Das
wir dich wie eine Magd behandeln. Nun, paar Aufgaben wirst du schon noch haben
bis du zu ihm ziehst. Aber wir müssen uns nun an deine Aussteuer machen. Ich
habe sicher noch mein altes Gewand als dein Vater mich zum Weibe nahm. Es müsste
dir passen. Vielleicht hier und da ein wenig abändern. Aber das schaffen wir
schon. Ach Kind, ich bin so glücklich. Wulflyn ? Ist etwas ? Du siehst so blass
aus ?"
Wulflyn hatte nur den Anfang des geredes mitbekommen. Thoralf
wollte sie haben ? Sie waren schon länger viele Stunden unterwegs ? Was war das
für eine Farce ? Warum erzählte Thoralf solch einen Unsinn ? Grimmig kam ihr die
Situation in Jordheim wieder zu Sinn. Dieser nichtsnutzige Tölpel WOLLTE sie
haben ? Und weil sie meinte, das es in Vasudheim keinen gescheiten Mann für sie
gäbe, war er wütend davongegangen. Und nun kam in seinen Spatzenhirn dieser
verrückte Versuch sie so an sich zu binden ? Ohne sie zu fragen ? Sie musste
zugeben das Thoralf das geschickt gemacht hatte, sich zuerst bei ihren Eltern
warmzureden. Aber nicht mir ihr. Sie würde sich nicht, wie ein frommes Lamm, was
zur Schlachtbank geführt wurde, in ihr Schicksal ergeben. NIEMALS. Und besonders
nicht an ein Schicksal mit Thoralf, zu dem sie keinerlei Empfindungen hatte.
Mühsam beherrschte sie ihren Zorn. Erstaunt stellte sie fest wie klarl und kühl
ihre Stimme klang.
"Ich werde ihn nicht nehmen." "Wie meinst du das ?
Du wirst ihn nicht nehmen ? " "So wie ich sagte, ich will diesen Tölpel
nicht." "Nun hör auf mit den Albereien. Das ist nun eine beschlossene
Sache." "Wie kann sie beschlossen sein wenn ich dazu NEIN sage ?" "Weil
wir ihm deine Hand versprochen haben. Du wirst dich jetzt nicht drücken. Erst
diesen armen Thor schöne Augen machen und dann abweisen. So geht das nicht !"
Guthilf mischte sich nun ins Gespräch ein. Seine Stimme klang
schneidend.
"Aber ich habe ihn nicht ermutigt. Nur heute hab ich ihn mich
nach Jordheim begleiten lassen." "Also streitest du es nicht ab, das du mit
ihm alleine warst ?" "Naye, wie auch. Aber es war nur heute. Sonst hab ich
kaum zwei Wörter mit ihm gewechselt. Ich will ihn nicht." "Du nimmst ihn
trotzdem"
Mit offenen Mund starrte Wulflyn ihren Vater an. Verstand er
den nicht ? Sie hatte nie was mit Thoralf zu tun, und er spielte einfach nur
etwas vor. Warum wollte ihr Vater trotzdem das sie ihn nahm ?
"Starr
mich nicht so an. Bist du verrückt geworden mit ihm alleine nach Jordheim zu
gehen ? Was meinst du was die Leute im Dorf sagen werden hitner deinen Rücken ?
Naye, so nicht. Über dich gab es schon genug gerede. Du nimmst ihn. Keine
Widerrede."
"Ich kenne ihn doch gar nicht. Wie kann ich jemanden an meine
Seite nehmen, den ich nicht kenne ? Er, er ist ausserdem noch so jung ! Noch
nichtmal ein Mann."
"Unsinn. Er ist fast so alt wie du, ein wenig älter,
wenn mich nicht alles täuscht. Und du bist selber schuld. Ich wette in deiner
Dummheit, hat euch das gesamte Dorf gemeinsam rumlaufen
sehen."
"Mutter..." versuchte Wulflyn nun bei ihr.
Jedoch erntete
sie nur einen grimmigen Blick. Von ihr war auch keine Hilfe zu erhoffen. Was
sollte sie bloss tun ? Angestrengt dachte Wulflyn nach, welche Möglichkeiten es
gab aus dieser verqueren Situation zu entkommen.
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