Knieend tauchte Wulflyn die grobe Bürste in den Eimer kalten Wassers. Fast war
sie fertig. Der viele Schmutz der sich in das Holz die ganzen Monate eingelagert
hatte, schwärzte bereits das Wasser, und ihre Kleidung. Murrend hat sie Tag für
Tag, Monat für Monat die anfallenden Arbeiten erledigt. Mittlerweile hat sich
ihr Rücken an das ständige bücken gewöhnt. Nachts hatte sie kaum mehr
Schmerzen. Schrubbend glitt sie über den restlichen Bereich, erleichtert
fertig zu sein. Mit einen aufklatschen lies sie die Bürste in den Eimer fallen,
und stand dann auf. Ein kurzes Strecken lockerte die verspannten Muskeln.
Endlich war sie fertig und konnte zu der Dorfheilerin eilen und sich die Salbe
holen. Und danach zu Meister Tambert. Jede Minute ausserhalb des Wirtshauses
war eine Wohltat. Ihre Eltern hatten noch immer nicht vergessen was geschehen
war. Mit strengen Blicken verfolgten sie ihre Arbeit, und oft genug erhielt sie
für "schlampiges Arbeiten" den Stock auf ihren Hintern zu spüren. Es war
überhaupt die ersten Male gewesen das sie solch eine Bestrafung zu spüren bekam.
Vorher war sowas nie geschehen. Schmerzhaft erinnerte sie sich an letzte Woche
wo sie versehentlich gestolpert war und alle Eier zerbrachen. Für jedes Ei zwei
Hiebe. Ganze drei Tage konnte sie nicht mehr sitzen und nur auf den Bauch
schlafen. Und trotzdem war sie stolz keine Träne vergossen zu haben. Ihren
Vorsatz das sie sich nicht brechen lassen wollte, hatte sie genausowenig
vergessen. Seufzend nahm sie den Eimer auf.
"Greta, ich bin fertig.
Ich schütte nur das Wasser aus und gehe dann zu Meister Tambert." rief sie in
Richtung Küche.
"Bis später Kind. Wenn du zurückkommst musst du für mich
nach Jordheim gehen. Ich schaffe das sonst nicht."
rief ihr die dicke
Greta zurück.
"Aye. Bis später."
Wulflyn trat zur Vordertür
heraus. Erneut nahm sie die Bürste und schrubbte noch schnell die Tür. Die
Bürste selber lies sie auf den Fensterbrett nach getaner Arbeit liegen. Sie
wollte sie später, wenn sie getrocknet war, holen.
"Oh seht mal wenn wir
da haben. Da ist unsere Schmutzmagd Wulflyn!"
Entnervt verdrehte Wulflyn
die Augen. Tonja hat ihr gerade noch gefehlt. Sie fand ein widerliches Vergnügen
daran, sie jedesmal über ihre Arbeit aufzuziehen. Ihre Stimme war jedes Mal
voller Hohn und Spott, gelegentlich mit bissigen Bemerkungen. Immer hatte sie
ihre rothaarige Freundin Signe dabei. Geduldig drehte sich Wulflyn um und sah
Tonja an. Tonja hatte ihr strohblondes, nahezu fast weisses Haar, zu zwei langen
Zöpfen geflochten. Hellblaue Augen funkelten sie mit einer Kühle an, die jeden
Winter Konkurrenz machen konnte. Wie immer lief sie umher als würde den Abend
ein Freudentanz errichtet. Ihr sauberes blaues Kleid schmiegte sich an ihren
Körper. Signe selber ähnelte Tonja in der Bekleidung. In der Gegenwart von
beiden fühlte sich Wulflyn oft klein, hässlich und unbedeutend. Sie selber trug
ein altes verschlissenes Kleid voller Flicken. Doch für die Arbeit wollte sie
gewiss kein besseres anziehen.
"Willst du was bestimmtes Tonja? Oder nur
wieder ganz Vasudheim mit deiner Anwesenheit auf die Nerven gehen
?"
Gedanklich fragte sie sich, wie Arris nur Gefallen an ihr finden
konnte. Sie hatte eine derartig spitze Zunge, die jeden Mann früher oder später
vertreiben würde. Glockenhelles Lachen erklang.
"Dein Verstand scheint
wie immer von der vielen Arbeit getrübt. Ich bin hier von allen geliebt. Arris
selber liebt mich. Er schreibt mir jeden Monat einige Zeilen. Das er dich nicht
erwähnt ist klar. Wie war das noch.. du bist für ihn gestorben ?"
Ein
falsches süsses Lächeln umspielte Ihre Lippen. Sie wusste das sie Wulflyn damit
verletzte. Schon früh hatte sie erkannt daß sie, sobald sie Arris erwähnte,
Wulflyn damit weh tun konnte. Wulflyn selber schloss kurz ihre Augen.
"Lass mich doch einfach in Ruhe. Geh mit deinen Puppen spielen oder
flirte wieder mit irgendeinen von der Wache. Du brauchst nicht so heuchlerisch
tun. Jeder im Dorf weiss was du für eine verruchte Dirne du bist. Wieviele hast
du schon in dein elendiges Lager geschleppt ? Zehn ? Zwanzig ? Wie wäre es wenn
du davon Arris berichtest ? Ich wette er wird sich freuen, zu hören, was du
hinter seinen Rücken so treibst."
"Pass auf du kleine Närrin. Ein Wort
von dir an ihn, zumal ich bezweifel das er dich anhört, oder deine Zeilen liest,
und ich verspreche dir das du erst dann die Hölle kennenlernen
wirst."
Tonja ging zornig näher zu Wulflyn und zischte ihr diese Worte
zu. Wulflyn selbst wölbte nur eine Augenbraue.
"Ich glaube du solltest
lieber aufpassen Tonja. Du scheinst wohl begriffsstutzig zu sein was ? Arris
selber ist nicht blind. Früher oder später wird er es merken. Nun geh mir aus
den Weg und lass mich in Ruhe. Ich hab noch zu tun."
Wulflyn versuchte
sich an Tonja vorbeizudrängen. Diese jedoch versetzte ihr einen heftigen Stoss.
Taumelnd fing sich Wulflyn, bemüht nicht den Eimer fallen zu lassen. Wütend
drehte sie sich um.
"Ich hoffe doch das dich das abkühlen wird
Tonja!"
Mit einer heftigen Bewegung schüttete sie den gesamten
schmutzigen Inhalt Richtung Tonja. Triefend vor Schmutz schrie sie
auf.
"DAS WIRST DU BEREUEN WULFLYN !"
Mit stapfenden Schritten zog
sie ihre Freundin Stige mit böse funkelnden Augen mit sich. Wulflyn selber
seufzte und starrte ihr nach. Sie ahnte schon wie sie bereuen würde. Tonja hatte
ein Talent dazu anderen etwas vorzuspielen. Gewiss würde sie ihren Eltern mit
tränennassen Augen erzählen das sie absichtlich und aus Eifersucht ihr Kleid
verschmutzt hatte. Resigniert stellte sie den Eimer ab. Jetzt wollte sie sich
keine Gedanken machen. Hastig eilte sie durch das Dorf. Das Haus von Melinda,
der Dorfseherin, war am anderen Ende. Sicher wartete sie schon auf
Wulflyn.
"Melinda ?"
Fragend steckte Wulflyn ihren Kopf durch die
Tür. Sie entdeckte die ältere Frau auf einen Stuhl, strickend.
"Komm nur
herein Kind."
eifrig schob sich Wulflyn ganz herein und schloss leise die
Tür. Melinda war eine der wenigen Seelen die noch freundlich waren. Geräuschvoll
schob sie sich einen Stuhl heran.
"Wie geht es dir Kind, geht es dir
schon ein wenig besser ?"
die rauhe Stimme der alten erklang. Den Kopf
jedoch hob sie nicht. Es war auch unnötig. Melinda war Blind.
"Aye. Ich
bräuchte nur wieder etwas von dieser Salbe für die Blasen." "Kind, du bist
noch so jung und arbeitest schon so hart wie eine Magd. Werden deine Eltern nie
einsichtig ? Ich kann mit ihnen reden, das ich deine Hilfe hier bräuchte. Du
hättest dann nicht viel zu tun." "Naye Melinda. Es ist gut so. Ich will nicht
das sie denken ich hab um Hilfe bei euch erbeten." "Du gehst irgendwann zu
Grunde! Du weisst ja wo die Kräuter sind zum zubereiten der Salbe. Ich hab dir
gezeigt wie es geht."
Wulflyn stand auf und begab sich zum Tisch, unweit
von Melinda entfernt. Verschiedene Kräuter hingen dort, sowie Mörserwerkzeug und
andere Gegenstände für Alchemie. Melinda war nicht nur die Dorfseherin, sie gab
auch Wulflyn Unterricht in der Herstellung verschiedener Salben und Tränke. Für
die schweren Sachen war Wulflyn noch zu jung, aber auch kleine Gifte und
günstige Farben für Kleidung und Rüstungen konnte sie dank Melindas Hilfe
herstellen. Eilig ging sie an die Arbeit. Die Herstellung der Salbe dauerte
nicht lange.
"Ich stehe das schon durch. Habt keine Sorge. Vielleicht
werde ich, wenn mir das doch zuviel wird einfach fortgehen. Tonja wird sich
heute wieder mal beschweren."
Wulflyn unterbrach kichernd und erzählte
was vorgefallen ist. Melinda runzelte besorgt die Stirn. Das was vorfiel gefiel
ihr gar nicht.
"Leider wird mein Besuch heute sehr kurz. Ich muss noch zu
Meister Tambert. Er hat mir heute eine Überraschung versprochen." "Ich hoffe
doch du besuchst mich bald wieder. Im Morgengrauen vielleicht bevor du die
Hühner versorgst ?"
Die Geräusche des Mörsers begleiteten Wulflyns
Antwort. "Ich komme gerne. Gibt es etwas wichtiges ?" "Naye. Nur ein
Geschenk. Und nun lass mich weitermachen. Geh zu Meister Tambert. Na los Kind !"
Melinda stand auf und legte ihr Wolle zur Seite. Wulflyn übergab ihr das
Mörserwerkzeug und verabschiedete sich mit einen Kuss von der alten
Frau. Ächzend fiel die Tür ins Schloss. Tief atmete Wulflyn die Luft ein und
ging ins Nebengebäude. Meister Tambert war schon ein alter seltsamer Kauz. Aber
von scharfen Verstand und klaren intelligenten Augen gesegnet. Er brachte
sovielen Kindern wie möglich die Kunst des Lesens und Schreibens bei, sofern es
die meisten wünschten. Wulflyn liebte in seinen Haus den Geruch Ledergebundener
Bücher. Er hatte sehr viele davon, und gelegentlich leihte sie sich eins aus.
Meistens über Kräuter und verschiedene Gifte.
"Ah, da bist du. Setz dich
setz dich... heute haben wir einiges vor. Wo hab ich nur meine Glässer hin. Setz
dich Kind... wir werden heute dir ein wenig der Albionischen Sprache beibringen.
Hast du die Gläser gesehen ? Albionisch ist eine gute Sprache, nur verrate
keinen das ich dich das lehre, rede mit niemanden darüber und gib es nicht
weiter. Wo sind nur diese Gläser ?" "Hier sind sie Meister
Tambert."
Eilig setzte Wulflyn sie den alten Mann auf. Er war vor vielen
Jahren ins Dorf gekommen und lebte recht zurückgezogen. Er war seltsam, hatte
tausende Gedanken in seinen Kopf und wollte alles auf einmal aussprechen. Einige
verstanden ihn kaum und machten einen weiten Bogen um ihn. Wulflyn jedoch mochte
ihn und lauschte jedem seiner Worte und nahm jede Information die er gab,
dankend auf. Die Überraschung war ihm heute geglückt. Er wollte sie ein wenig
Albionisch lehren. Die Sprache des Feindes. Eifrig nahm sie sich vor genau
aufzupassen. Sie tat es auch. Wulflyn war eine gelehrige Schülerin und hatte
schnell einfache Sätze im Kopf.
"Hier. Nimm das Buch. Ich habe es
geschrieben. Aber lies es später, morgen. Nun lass mich jetzt alleine. Ich hab
viel zu tun, aye, viel zu tun. Nun geh !" eiligst schob Meister Tambert seine
Schülerin aus der Tür.
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