Damit verlies er das Haus. Wulflyn sah ihm kurz nach, ehe sie sich ihre eiserne
Rüstung anzog. In einem Kleid zu reiten war nicht gerade einfach, und es war
noch immer kalt. Ihr Zweihandschwert schnallte sie sich auf den Rücken und das
Einhandschwert an den Gürtel. Die anderen beiden Waffen die sie beim Erjagen
gefunden hatte umwickelte sie mit Leinen und in die Felle um sie auf das
Lasttier zu schnallen. Zuletzt griff sie nach den warmen Umhang und warf ihn
über. Einiges, wie Kochtöpfe und Geschirr lies sie zurück. Sie würde doch wieder
in einem Wirtshaus anmieten, sobald sie in Aegir war, und brauchte selber nicht
zu kochen. Lars erschien wieder und nahm ihr das bereits fertig verschnürte ab
um es auf das Lastpferd, ein dickes struppiges Tier, zu schnallen. Er murrte vor
sich hin und das Frauen eindeutig zuviel sammelten. Wulflyn lief zum
Nebengebäude hinüber. Die Frau die dort lebte, hatte ihr die kleine Hütte
vermietet. Sie klopfte an, und als die Tür geöffnet wurde sprach sie kurz mit
der Frau. Nach den Abschiedsworten ging Wulflyn zu Lars. Er saß bereits auf
seinem Pferd und hielt ihr Tier am Zügel. Dankend stieg sie auf und nahm die
Zügel des Lastpferdes und ihres an sich. Ihr Pferd lies sie hinter dem vom Lars
hinterher schreiten, wendete es aber noch einmal, um sich im Stillen von der
Stadt zu verabschieden.
Der Ritt nach Aegir ging nur langsam voran. Lars
drängte zur Eile, doch die Nordfrau, die nur ungern dem Ruf ihres Ausbilders
folgte, schaffte es, immer wieder Gründe für einen kurzen Halt zu finden. Einmal
taten ihr die Beine vom langen Ritt weh, einmal lahmte angeblich ein Pferd, dann
kam es Müdigkeit und Hunger. Sie sprachen auf dem Ritt nur wenig. Lars versuchte
immer wieder ein Gespräch anzufangen, gab aber bald schon auf als immer nur
einsilbige nichtssagende Antworten kamen. Er war komplett entnervt. Langsam tat
es Wulflyn nach kurzer Zeit leid ihn so kühl zu behandeln und trieb ihr Pferd
neben seines. Das dicke Lastpferd schaukelte hinterher. Sie wollte die Reise
langsam, aber auch gemütlich zu Ende bringen. Zögernd schob sie die Kapuze ihres
Umhanges zurück um besser zu ihm sehen zu können. Der Winde rauschte ihr in den
Ohren und zerrte ihr Haar aus dem geflochtenen Zopf. Neugierig stellte sie
Fragen.
„Ist in Aegir sehr viel geschehen die letzte Zeit?“ „Nichts
besonderes. Die Ausbilder bei Domalde ist recht hart geworden. Aber wir können
schon bald zu den Lager- und Übungsstätten der Kampfgründe aufbrechen. Wir
freuen uns alle darauf.“ „Wir?“ „Ja.. ähm, ich, dann ist da noch Baldig,
ein sehr fähiger Schamane. Den kennst du. Und dann noch Hilde, Gandis,
Zwergheilerin und ein kleiner Kobold, Runenmeister, aber sehr geschickt - ich
hab selten solch ein Talent gesehen. Eric, ein Krieger auch noch. Ich glaub du
kennst sie sogar alle. Jedenfalls wir jagen und begehen Aufträge für Domalde
meist gemeinsam. Wir sind auch schon sehr miteinander vertraut, und das ist ja
sehr wichtig.“ „Natürlich. Schließlich will man sich auf denjenigen verlassen
der einem den Rücken deckt, nicht wahr?“ „Genau. Aber da mache ich mir keine
Sorgen. Es läuft immer wunderbar. Wir sind zusammen wirklich gut – einzeln
natürlich auch. So gut wie im letzten Monat lief es schon lange nicht mehr, auch
wenn Eric schweigsamer geworden ist. Aber in letzter Zeit hatte er es nicht sehr
leicht. Armer Kerl.“ „Was war den?“ voller Sorge hackte sie nach. Lars
erzählte. „Eric ist mir ein guter Freund geworden. Er erzählt mir einiges.
Vor kurzem erhielt er Nachricht von seiner Mutter in Mularn. Sein Bruder ist
schwer erkrankt, aber sie bat ihn nicht zu kommen, und seine Ausbildung
abzubrechen. Er ist natürlich voller Sorge. Er trauerte auch lange Zeit um eine
Frau. Er erzählte mir von einer jungen Frau die ein Auftrag von Otik erhalten
hatte und nach Hugginfell reisen sollte, die aber nicht wieder zurückgekehrt war
– vermutlich tot - und Otik sagte dazu auch nichts, und gab vor nichts von einen
Auftrag nach Hugginfell zu wissen. Er lies nach ihr einige Wochen suchen –
nichts. Alles sehr verworren, und nicht einmal der Leichnam wurde gefunden.
Jedenfalls war er viele Tage lang nur in Wirtshaus und betrank sich wegen der
Frau, murmelte immer wieder was von einem versprechen aufzupassen und sonstiges.
Nun, wäre Lian nicht gewesen, wäre es schlimm ausgegangen um ihn. Sie gab ihm
Mut zum weitermachen, und das er sich nicht an diesem Versprechen aufhing. Lian
kannte wohl diese Frau, aber ich glaube Eric hatte mit der nichts, da er und
Lian schon länger das Lager teilten, wahrscheinlich war es eine Verwandte.
Jedenfalls, vor gut einem Monat starb Lian. Sie hat sich so einer Verrückten in
Aegir, Catla, angeschlossen die sie nach Iarnvidur schickte um einige
Gegenstände zu beschaffen. Sie versprach wohl Lian Reichtum und Macht. Lian ging
darauf ein, bestrebt dies zu bekommen, und starb bereits am Waldrand als Schrate
über sie herfielen. Sie war noch jung, unerfahren und hatte noch nicht die Kraft
solche Wesen zu besiegen. Sehr traurig. Sie lebte noch als man sie nach Aegir
brachte, doch die Heiler konnten nichts mehr für sie tun. Es war so ähnlich wie
bei dir damals mit den Verletzungen, nur das es für Lian keine Hoffnung mehr
gab. Als Eric an ihre Seite eilte und ihre Hand hielt hauchte sie ihr Leben aus.
Catla, dieses Luder läuft noch immer frei herum und erhascht sich schwache Leute
für ihren miesen Plan die dann umkommen. Doch nachweisen kann man nichts. Jeder
ging freiwillig nach Ianvidur. Wirklich sehr traurige Geschichte.“ schloß er
seine Erzählung. „Das ist wahr. Solche Tragödien wünscht man keinem. Ich
hoffe euer Freund erholt sich bald von seinen Kummer.“ „Er ist doch auch euer
Freund? Soweit ich mich erinnere verbrachte er an eurem Krankenlager Zeit? Oder
irre ich mich?“ „Ja, doch, flüchtige Bekanntschaft. Er fühlte sich
verantwortlich für den damaligen Unfall und wollte so etwas gutmachen für das er
nichts konnte.“ Lenkte Wulflyn ab und ging auf ein anderes Thema zu. Sie wollt
nicht mehr über Eric reden, auch wenn die Schicksalsschläge ihn momentan sehr
trafen. Die Wahrheit über die Frau die nach Hugginfell ritt, verschwieg sie
jedoch Lars, da es sonst nur zu unnötigen Fragen kommen würde.
„Hat Otik
nichts weiter gesagt, warum ich kommen soll?“ „Naye, nur das es schnell
passieren soll. Lieber heute als morgen.“ „Ich hoffe er hat gute
Neuigkeiten.“ Brummte Wulflyn nur. „Wolltest du so ungern nach Aegir, dieser
schönen Stadt?“ „Ja. Knarr gefällt mir. Und ich wäre auch gern woanders hin
als nach Aegir. Aber nachdem ich den letzten Aufforderungen nicht von Otik
nachkam, war er wohl doch ein wenig entzürnt.“ „Keineswegs, er war bester
Laune, sagte nur das ich mich beeilen sollte.“ „Hätte es den kein Bote auch
getan?“ „Oh, dazu meinte er schon, das dies unbeantwortet wohl bliebe, und
das jemand mit Tatkraft euch holen sollte, notfalls mit Gewalt.“ Lars
schmunzelte. „Wann erreichen wir Aegir?“ „In nicht einmal mehr als einer
Stunde.“ „Oh, ähm.... Lars?“ „Ihr wisst meinen Namen?“ „Ich sagte doch
ich kenne, euch, selbst wenn nur kurz, und mein Gedächnis ist auch nicht gerade
... schwach, was ich manchmal bedauere.“ „Habt ihr einen Wunsch?“ „Ja.
Mein Aufenthalt in Aegir ist geheim. Verratet bitte keinem, das ich hier
bin.“ „Aber.. warum?“ Lars war verwundert. Eine seltsame Bitte. „Tut bitte
worum ich euch bitte. Bitte!“ nun sah sie ihn flehentlich an. Lars
nickte. „Nun gut, ich sage es keinem. Auch wenn ihr so oder so Aufsehen
erregen werdet.“ „Wie?“ „Zum einen das Lasttier mit dem Gepäck. Sowas
sieht man nun mal nicht täglich, und zum anderen, ihr seid sehr schön, falls
euch das entgangen ist. Nur einem Blinden kann das entgehen. Das soll nun kein
Flirt werden, es entspricht den Tatsachen. Ich hab euch viel unscheinbarer in
meiner schwachen Erinnerung. Anscheinend tut die salzige Meerluft in Knarr der
Schönheit gut.“ „Oh. Nun, dann kann man sicher nicht viel machen. Ich hoffe
das bis dahin der Himmel schwarz ist und es schneit und regnet und Donnergrollen
die Menschen in die Häuser treibt.“ „Also, ich hoffe das dieses Wetter so
bleibt. Ungern will ich bei Schnee und Regen reiten und nass heimkehren. Aber es
dämmert bereits, und wir kommen so kurz vor Einbruch der Dunkelheit in Aegir
an.“ „Wie schade.“ murmelte Wulflyn nur und spielte an den Zügeln.
Den
Rest des Weges schwiegen beide. Schon bald tauchten die riesigen Knochenbögen
auf, die Aegir von beiden Seiten zierten. Wulflyn zog sich ihre Kapuze wieder
über den Kopf. Sie seufzte nur leise und sah hinab auf den Boden wo die
Pferdehufe nacheinander auftraten. Das Geklapper wurde gedämpft vom erdigen
Grund. Kleine weiße Punkte erschienen oberhalb des breits aufgezogenen
samtschwarzen Himmel, wo bereits die Sichel des Mondes hinaufkletterte. Wieder
seufzte sie und sah sich vorsichtig um. Aegir sah aus wie am ersten Abend als
sie ankam – atemberaubend. Erneut seufzte sie und hielt ihr Pferd. Lars zügelte
sein Tier und sah sie an.
„Was ist?“ fragte er, sich nach seinem Bett
sehnend. „Ich will nicht zurück.“ „Ohje, fürchtet ihr euch nu vor
etwas?“ „Ich will nicht zurück.“ „Sagtet ihr schon einmal, aber warum
nicht?“ „Weil – ich weiß nicht was mich erwartet.“ „Es wird schon nicht
schlimmes sein. Otik war gut gelaunt. Nun komm.“ „Nein!“ „Doch, es war
mein Auftrag und die erledige ich auch.“ Damit ritt er näher heran und griff
nach dem Zügel ihres Pferdes. Protestierend verlangte sie diese wieder zurück,
woraufhin er ablehnte.
„Ich bin müde und will in mein Bett. Die ganze
Nacht und den ganzen Tag bin ich wegen dir geritten. Meinst du ich lass dich nun
weg? Nein genau also komm.“
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