Wulflyn blinzelte vorsichtig. Ihr Kopf dröhnte und ihr Körper fühlte sich
vollkommen zerstoßen an. Irritiert starrte sie zur Decke des Zimmers und fragte
sich wie sie hierher kam. Es kostete sie große Anstrengung das zu überlegen. Mit
ihrer Hand wollte sie sich abstützen und aufrichten. Ein scharfer Schmerz
durchzog die Stelle.
„Was zum...“ murmelte Wulflyn mit schmerzverzerrten
Gesicht. Leichter Nebel umgab ihre Sicht als der Schmerz sie
durchfuhr.
Sie blinzelte mehrmals bevor sie ihren Kopf wandte, und sah
Eric eingenickt in einem Stuhl sitzend. Ein Lächeln zeigte sich auf ihrem
Gesicht. Geschwächt streckte sie ihre Hand aus um sein Bein zu berühren und ihn
zu wecken. Er hatte sicher eine Erklärung für das alles. Wahrscheinlich war
alles nur ein böser Traum.. auch wenn sie nicht wusste woher der Schmerz
kam.
Ein Laut des Entsetzens kam ihr über die Lippen als sie ihren
verbunden Arm sah. Wie war das nur geschehen? Auf ihren Arm starrend bemerkte
sie nicht das Eric durch ihren Ausruf aufgewacht war. Mehrmals rieb er sich die
Augen um sich keiner Täuschung hinzugeben. Erleichtert setzte er sich neben sie
auf das Bett und sah auf sie hinab.
„Oh Wulflyn, endlich bist du wieder
wach!“ „Hmm.. was .. ist geschehen? Warum der Verband, und die Schmerzen..
und warum bin ich hier? Eric.. ich .. verstehe nicht!“ klagte Wulflyn mit
jämmerlicher Stimme. „Du.. das erzähle ich dir nachher. Erst einmal besorge
ich dir etwas gutes zu essen. Du musst ausgehungert sein. Ich danke den Göttern
das es dir wieder gut geht.“ „Ich.. verstehe nicht! Was ist hier
los?“ „Pssst.. ruh dich noch aus. Ich erklär dir gleich alles
Liebes.“ „Aber..“ „Nein.. bitte hör auf mich Wulflyn. Ich bin gleich
wieder da, bleib nur einfach liegen.“ Bestimmt zog er die Decke bis zu ihrem
Hals und sah ihr fest in die Augen. Wulflyn gab widerwillig nach. „Gut.. wie
du willst.“
Kaum war Eric aus den Zimmer gegangen zog Wulflyn sich die
Decke vom Körper. Ein dicker Verband zierte Brust und Bauchbereich. Geschockt
lies sie die Decke fallen und versuchte sich daran zu erinnern wie das passiert
war. Nur Nebelschwaden waren vor ihrem geistigen Auge und hinderten sie daran
sich zu erinnern. Enttäuscht zog sie die Decke wieder hoch und starrte zur
Decke. Die Tür knarrte und Eric trat ein. Er trug ein Brett, beladen mit
Boobrie-Ei, den kleinen geliebten Broten und frischer Milch. Ihr Blick hing
jedoch noch immer an der Decke. Eric wusste nicht so recht was er tun sollte und
stellte das Brett neben den Bett Wulflyns. Nervös strich er sich über sein
Haar.
„Hier bitte. Etwas zu essen.“ „Wie ist es passiert Eric?“
Wulflyns Stimme war leise und zaghaft. „Du hattest einen Unfall. Aber iss
bitte zuerst damit du zu Kräften kommst. Über vier Tage lang hast du deine Augen
nicht aufgemacht. Bitte Wulflyn.“ „Einen Unfall. Wie kam es dazu?“ „Das
erzähl ich dir sobald du gegessen hast.“ „Nein, sag es mir jetzt.“ „Dann
schlag ich vor das ich erzähle und du isst.“ „Nun gut.“ grollte Wulflyn
leicht.
Ungeschickt griff sie nach dem kleinen Brot. Sie fühlte sich
ausgehungert und war froh etwas essen zu können. Doch ihre, für sie unbekannt
zugezogenen Verletzungen, minderten den Genuss der Speisen. Langsam kaute sie
und sah Eric in die Augen. Ihr fiel ein das er eigentlich nichts mit ihr zu tun
haben wollte, das sie für ihn „gestorben war“, und war erleichtert ihn doch in
ihrer Kammer zu sehen. Sie schluckte und fragte vorsichtig.
„Du hast dich
überwinden müssen hier zu bleiben, nach alldem was davor geschehen ist, nicht
wahr?“ „Nein, ich war von Anfang an als das Unglück geschah bei dir. Ich habe
Ängste ausgestanden das du stirbst.“ gab Eric ehrlich zu. „Bitte erzähle mir
nun was vorgefallen ist.“ „Nun gut. Erinnerst du dich das wir nach Dyrfjell
gegangen sind? Also diese kleine Haufen Krieger, Magier und
Heiler?“
Wulflyn nickte. Eric fuhr fort.
„Jedenfalls hatten wir
den Auftrag einige Mammuts die in der Nähe ihr Unwesen treibten zu töten. Du
solltest die Monster anlocken. Du hast es auch getan, aber bist wie zur
Salzsäule erstarrt stehen geblieben. Als du dich endlich umgedreht hast, fiel
dein Schwert zu Boden. Anstatt das du weiterläufst bist du stehen geblieben. So
kam eines zum anderen. Du hast zu spät reagiert und das Mammut hat dich in
seiner vollen Wucht gerammt. Nachdem du einige Fuß weiter aufgeschlagen bist,
hast du dich kurz bewegt und bliebst liegen. Ich hab das Mammut aufgehalten
während sich die anderen um dich kümmerten. Doch deine Verletzungen waren sehr
schwer. Du hast so furchtbar geblutet Wulflyn.. aus deinen Mund – und deine Haut
war so blass. Ich dachte du seist tot. Aber den Göttern sei dank war es nicht
so. Baldig und Hilde gaben ihr bestes um die schlimmsten Wunden zu lindern. Doch
sie waren zu schwach noch in dieser Kunst. Ein Heiler aus Dyrfjell schaffte es
dich so herzustellen das wir dich nach Aegir bringen konnte. Und nun.. seitdem
bist du hier gelegen und ich hab die meiste Zeit über dich gewacht, und die
Heilerin hier hat immer wieder nach dir gesehen. Erinnerst du dich
nun?“
Wulflyn hatte zu essen aufgehört. Das unsägliche Pochen in ihrem
Arm hatte zugenommen als Eric die Geschichte erzählte. Sie schämte sich so
unbesonnen und tollpatschig gehandelt zu haben. Ihre unverletzte Hand krallte
sich in den Laken ihres Bettes. Sie holte ein paar Mal Luft – wie sie
feststellen musste mit Schmerzen verbunden. Anscheinend war so ein Aufprall von
einem Mammut nicht gerade die schönste Methode verletzt zu werden. Aber sie
lebte immerhin. Auch wenn es nicht gerade nun einfach werden würde nach diesen
dummen Missgeschick. Immerhin wusste sie was geschehen war, selbst wenn sie
selbst sich nicht an die Einzelheiten
erinnerte.
„Danke.“ „Wulflyn?“ „Ich habe bereits zuviel deiner Zeit
vergeudet. Sicher wartet dein Ausbilder auf dich.“ „Nein, Domalde verlangte
das ich bei dir bin.“ „Oh... also war es gezwungen. Es tut mir leid das ich
dir solche Scherereien einbrachte. Dies war gewiss nicht beabsichtigt.“
Enttäuschung klang in der Stimme mit. Er wachte nur Aufgrund eines Befehles. Der
Streit war noch immer wie ein Dorn zwischen ihnen. „Nicht – ich hab es gern
getan. Ich sorgte mich wirklich um dich. Baldig war auch oft hier und hat nach
dir gesehen. Er hat immer wieder versucht deine Wunden mit seinen Kräften zu
heilen. Manchmal klappte es ein wenig. Er hat dich gern.“ „Immerhin
einer.“ „Zwei.“ korrigierte Eric sie lächelnd. „Du scheinst vergessen zu
haben wie du mit mir auseinander gingst. Ich kann es dir gern nochmals in
Erinnerung rufen.“ Höhnte Wulflyn. Sie wusste nicht warum sie so bissig
war. „Lass bitte nicht davon anfangen. Vergessen wir es einfach.“ bat Eric
leise und nahm ihre Hand in die seinige. „Warum nicht? Du hasst mich doch.
Das kam klar rüber in deinem Brief. Es ist nur jetzt aufgrund eines Befehles
deine Anwesenheit spürbar. Du selber bist nicht gewillt. So lass mich einfach
und spiel keine Farce hier.“ „Ich tue noch immer was mir gefällt und lass mir
den Umgang mit jemanden befehlen. Sei nicht wieder so bockig Wulflyn.“ „Lass
mich sein wie ich bin und geh nun.“ schmollend zog sie ihre Unterlippe etwas vor
und starrte auf ihre Hände. Eric griff nach ihrer unverletzten Hand und
streichelte diese. Die Geste war nahezu zärtlich und seine Augen blickten ruhig
in die ihren. Bestimmt sprach er auf sie ein.
„Du weist mich nicht damit
zurück. Ich pass einfach weiter auf dich auf. Vielleicht ist es mein Schicksal
dein ständiger Beschützer zu sein. Ich fürchte sogar das du ein großes Talent
hast in Gefahren zu kommen. Und wenn ich ehrlich bin – ich hab auch nach dem
Umzug in ein anderes Wirtshaus immer ein Auge auf dich gehabt. Selbst wenn es
nur für die kurze Zeit war. Es tut mir leid das ich auch gleich so hitzig
reagiere, aber du bringst, was du wirklich zugeben solltest, mich einfach
schnell zur Weißglut.“
Ihr Schulterzucken quittierte er als Abmachung und
grinste sie an.
„Du solltest nun weiter essen. So dünn wie du bist wird
es ja Wochen dauern bis du wieder eine Waffe in der Hand halten kannst. Außerdem
hat Domalde gemeint, das du erst deine Ausbildung zur Alchemistin fortsetzt,
solange du noch verletzt bist. Und dann wirst du erst die Ausbildung zur Skaldin
fortführen.“ „Aber... ich verliere so Monate. Ich werde das nicht so schnell
aufholen können wie ihr.“ „Nein, das stimmt. Aber erhol dich zuerst. Du tust
dir und uns keinen Gefallen wenn du vorzeitig wieder mit etwas beginnst was dich
überfordert.“ „Eric...“ „Ja?“ „..Sag ehrlich..habe ich Schmach über
mich gebracht? Ich meine, mein Verhalten?“ „Nun, geschickt war es nicht. Lian
gibt dir jedenfalls die alleinige Schuld. Aber wir waren alles Tölpel, weil wir
nicht auf dich achtgegeben haben, und dich in der Gruppe willkommen hießen.
Normalerweise sollten wir einem Neuling alles Schritt für Schritt zeigen, nicht
gleich ins kalte Wasser werfen. Nein.. wir waren wirklich alle Schuld
daran.“ „Und ich hab versagt. Eric, bitte.. reichst du mir meine Sachen?
Nachdem ich ja mein Alchemiestudium fortführe, würde ich gern meine Utensilien
ansehen.“
Eric reichte ihr die Satteltaschen worin ihre Gegenstände
verstaut waren. Sie zog Mörser und Schale heraus sowie einige Kräuter. Ihr fiel
auch das ebenholzene Kästchen wieder ein, das ihr Melinda beim Abschied gab. Sie
hat noch immer nicht hineingesehen. Neugierig öffnete sie das kleine Kistchen.
In Samt gebetet lag ein goldener Ring mit einem eingravierten Wappen. Wulflyn
starrte den Ring an. Die Gravur glich haargenau ihrem Medallion. Doch Melinda
hat das Wappen nie sehen können wegen ihrer Erblindung. Verblüfft griff sie an
ihren Hals und wollte ihre Kette samt Anhänger hervorholen zum vergleichen. Sie
griff ins Leere und ihr fiel der Pfand wieder ein, dem sie den Händler gegen
Gold gab. Wulflyn biss sich auf die Lippe und sah hoch – direkt in die Augen von
Eric. Er sah sie neugierig an und sein Blick wanderte auch zu dem Schmuckstück.
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