Guthilf nickte, sprach jedoch zögernd. „Nun, es ist so. Mein einziges Kind
ist vor ein paar Tagen davongelaufen. Ich weiss nicht wohin, ich entdeckte bei
den Skalvenhäuschen nahe Vasudheim Spuren von Kampf und eine Leiche, und etwas
aus dem Besitz meiner Tochter. Ich brauche bitte Eure Unterstützung sie zu
finden. Sie ist unser einzigstes Kind. Vielleicht, zwei Eurer Wächter die sie
suchen gehen? ich selber kann meine Frau hier nicht alleine lassen. Nicht nach
dem ganzen was geschehen ist. Bitte, mein Jarl, helft einem Eurer treuesten
Untertanen.“ „Guthilf. Ich kann Eure Sorge verstehen. Doch im Moment ist es
mir leider nicht möglich Euch zu helfen. Die Hiberianer rücken immer mehr voran.
Nottmorr ist vor kurzem gefallen, und ich brauche jeden einzelnen ausgebildeten
Mann, der die Front beschützt und unsere Fasten zurückerobert. Sobald das
Frühjahr eingekehrt ist, werde ich mir Eure Bitte nochmal durch den Kopf gehen
lassen. Es tut mir leid Guthilf.“ „Mein Jarl, so lasst bitte nur einen
einzigen dazu abstellen.“ Guthilf sank erneut auf die Knie, bittend. „Sie
ist unser einziges Kind, von den Göttern geschickt.“ „Naye mein Freund. Es
ist einfach nicht möglich. Kehrt im Frühjahr nochmal hierher ein und tragt es
mir erneut vor.“ Zögernd ging der Jarl auf Guthilf zu und legte eine Hand
auf seine Schulter. Guthilf sah hoch, Tränen in seinen Augen, die den ganzen
Schmerz nicht verhüllen konnten, direkt in die dunkelbraunen Augen des Jarls.
Die Blicke trafen sich und aufrichtiges Mitleid war in den Augen des Jarls zu
lesen. „Es tut mir leid mein Freund. Kehrt heim zu Eurer Frau und wartet ab
bis zum Frühjahr. Der Feind darf Midgard nicht bezwingen. Nur deswegen hat es
Vorrang.“ „Aye mein Jarl. Ich verstehe.“
Guthilf stand langsam auf,
verbeugte sich vor seinem Jarl und ging mit hängenden Schultern aus dem Raum. Er
war enttäuscht, keine Hilfe bekommen zu können. Bis zum Frühjahr... das war noch
so lange hin. Er wusste nicht was er jetzt tun oder denken sollte, er wusste
nicht wie er es seiner Helen sagen sollte, er wusste nicht wie sie beide damit
leben sollten, ihre Tochter weder tot noch lebendig zu wissen. Hendrik
begleitete ihn schweigend zur Tür. Dort angekommen drückte er zum Abschied die
Hand seines Freundes und flüsterte ihm zu.
„Ich werde den Jarl in den
nächsten Tagen öfters daran erinnern. Hab nur ein wenig geduld. Durch einen
Boten werde ich dich auf den laufenden halten. Du hast ihm das Leben gerettet,
vielleicht, hat er seinem Retter, doch noch viel mehr als Dankbarkeit schuldig.
Nun geh heim zu Helen und steh ihr bei. Es ist noch nichts verloren und voller
Hoffnung. Auf bald mein Freund.“ „Aye, ich danke dir Hendrik, auf bald.
Grüsse Tabjata von mir.“
Draußen wartete Thoralf, sichtlich entnervt und
gelangweilt. Er plauderte träge mit einen alten Zwerg, der wohl ihm schon zum
hundersten male in den schillernsten Farben eine Schlacht erzählte, natürlich
sich, als Helden vorkommend. Eifrig drückte er sich von der Wand ab und
verabschiedete sich hastig von dem alten Zwerg als er Guthilf
erblickte.
„Nun, gewährt der Jarl uns Hilfe?“ „Naye.“ „Naye? Warum
nicht?“ „Im Frühjahr.“ „Warum im Frühjahr.... bis dahin kann sie tot
sein!“ „WIRD SIE NICHT ! ICH WERDE DARAN GLAUBEN DAS SIE LEBT
!“
Thoralf zuckte zusammen als Guthilf ihn anbrüllte. Die gesamten
wartenden Leute starrten die beiden an, teilweise mit offenen Mündern, die
Gespräche waren sofort verstummt. Verlegen strich sich Guthilf sein Haar zurück
und bellte:
„Was starrt ihr so? Noch nie einen Nordmann gesehen?“ So
schnell wie die Gespräche aufgehört hatten und die Stille eingekehrt war, so
schnell war wieder Stimmengewirr zu vernehmen. Guthilf lies Thoralf stehen. Er
war ihm gleich. Für Guthilf zählte mehr als dieser Bursche, er wollte seine
Wulflyn wieder bei sich zu Hause haben, seine Familie bei sich. Kurz wischte er
sich mit den Handrücken diese Nässe aus den Augen. Es war seltsam. So lange
keine Tränen mehr.. und nun waren sie immer wieder da. Er war weich geworden,
doch es war ihm egal was alle von ihm dachten. Seine Familie war es die ihn so
rühren konnte, sonst keiner mehr. Er kehrte heim, den Weg über keines gedanken
fähigs, nur tiefe Traurigkeit in seinem Herzen. Er ging die Orte ab, wo er mit
seiner Tochter oft geübt hatte. Orte, an denen sie als Familie sonnige Tage
geniesten, und schließlich den Ort wo Helen sie gefunden hatte. Dort kniete er
zu einen leisen Gebet nieder. Er bemerkte nicht wie Stille in dieses Wäldchen
hereinkehrte, jedes Wort seines geflüsterten Gebetes wiederhallte, auch nicht
das Wölfe ihn beobachteten, versteckt zwischen den Bäumen und
Büschen. Guthilf stand auf, und Leben kehrte ins Wäldchen zurück. Die Vögel
zwitscherten ihre Lieder und Wind streichte durch die Blätter. Er verlies den
Wald ohne auch nur etwas bemerkt zu haben und kehrte am späten Nachmittag zurück
in sein Haus, zu seiner traurigen Frau und der ungewohnten Stille. Etwas fehlte
nun in deren leben, und das lastete nun auch schwer auf deren
Schultern.
Im Morgengrauen erwachte Eric. Nach einen kurzen
prüfenden Blick stellte er erleichtert fest das seine Begleitung noch schlief.
Rasch stand er auf und kleidete sich an. Nach einen zweiten prüfenden Blick
verlies er den Raum. Leise knarrte die Tür in den Angeln als er sie schloß. Er
atmete erleichtert auf das sie nicht wachgeworden war und wollte nun ruhig eine
frühe Morgenmahlzeit zu sich nehmen. Die Bodenbretter knarrten als er darüber
schritt. Er nahm immer zwei Treppenstufen auf einmal hinunter. Dort war diesmal
nicht die dicke Trollwirtin, sondern ein hagerer Nordmann. Nickend grüsste er
Eric und putzte weiter die Teller. Eric ging auf ihn zu.
„Meine
Begleiterin schläft noch, aber ich würde jetzt schon gerne ein Mahl zu mir
nehmen. Irgendwas schmackhaftes. Und einen Krug Apfelmosts.“
Damit
drückte er ihm einige Kupfermünzen in die Hand und suchte sich ein Tisch am Ende
des Raumes aus. Hier konnte er ungestört beobachten wer ein und ausging.... und
wann sie runterkommen würde.
„Seltsam“ dachte er sich, „ich achte darauf,
sie im Auge zu haben, egal was vorher war. Ich kann wohl einfach nicht anders
als sie beschützen zu wollen. Doch bald werden sich wohl wirklich unsere Wege
trennen.“ Er lehnte sich etwas zurück und verschränkte die Hände hinter
seinen Kopf. Diesmal drehten sich die Gedanken um seine Ausbildung. Am
Nachmittag würde er in Fort Atla sein, und mit sehr viel Glück Morgen Abend in
Aegir ankommen. Er freute sich darauf. Endlich konnte er sich beweisen, und so
werden wie sein Vater. Dankend nahm er sein Essen entgehen was der Nordmann
ihm brachte. Es duftete verlockend und schmeckte zu seiner Überraschung auch
ausgezeichnet. Mit einen Handzeichen bestellte er noch solch ein Mahl was ihn
schon nach kurzer Zeit gebracht wurde. Den letzten Bissen von sein Teller spülte
er mit einen tiefen Zug vom Apfelmost herunter. Es war nun an der Zeit seine
Begleitung zu wecken und ihr etwas zu Essen zu bringen. Er wollte ja
schliesslich bald los. Dem Nordmann gab er Anweisung ein wenig Proviant
zusammenzupacken. Er stieg die Stufen hinauf die in sein altes Zimmer führten
und drückte sie vorsichtig auf. Zuerst schob er nur seinen Kopf hindurch und
erspähte die Situation. Er konnte es nicht fassen, das sie noch immer schlief
obwohl ein Fenster das Sonnenlicht direkt auf ihr Bett fluten lies. Den Teller
und den Most stellte er auf den Boden. Und schritt an die Seite ihres Bettes. Er
überlegte wie er sie diesmal aufwecken konnte. Die Lösung auf seine Frage war in
seinem Blickwinkel. Eine kleine Feder lag auf der Decke die ihren Körper
umhüllte. Grinsend nahm er sie auf und lies sie vorsichtig an ihrem Ohr und Hals
entlangstreichen. Sie hatte hübsche Ohren, und auch einen hübschen Hals wie er
feststellen musste. Aus einen Impuls heraus drückte er seine Lippen in ihre
Halsbeuge, dabei atmete er ihren Duft ein. Hastig fuhr er wieder hoch und
starrte Wulflyn an. Sie schlief immer noch, doch ein Lächeln hat sich auf ihr
Gesicht gezaubert. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Was war geschehen das er das
gemacht hat? Sie war doch sie... ein Kind.. ein junges Mädchen .... eine.. ja
eine junge Frau und er nur ein Mann. Brummend betrachte er sie und verfluchte
die Fleischeslust, der er in diesem Moment verfallen war. Er atmete tief ein und
schloß kurz die Augen. Diesmal, aus einer etwas weiteren Entfernung, griff er an
ihre Schulter und rüttelte sie. Dabei sagte er immer wieder ihren
Namen.
„Wulflyn, steh auf. Komm schon Wulflyn, aufwachen. Es ist früh wir
wollen weiter. ....... ähm... Wulflyn... steh doch auf du
Murmeltier.“ „Hmmmm...“ das einzige was geschah war das sie ihm den Rücken
zudrehte. „Bei den Göttern, wie soll sie so ihre Ausbildung überstehen.“
fluchte er und rüttelte sie grob. „Aufstehen. Wir müssen
los.“
Verschlafene Augen öffneten sich immer wieder und langsam kam ein
Bild zum Vorschein. Eric stand vor ihr rüttelte an ihr. Abwehrend hob sie die
Hände. „So.. so lass mich doch nur noch ein wenig schlafen. Ich bin
müde.“ „Wir haben aber keine Zeit, steh auf.“ „Es ist aber so warm und
bequem hier.“ „Du kannst hier auch bleiben, aber dann wirst du nie eine
Mitstreiterin für Midgard.“ „Ich.. bin ja.... .... uuuuuuuuuuuuhaa... ich bin
wach, aye. Wo bin ich hier?“ „In mei.. einem Zimmer. Ich hab dich draussen
gefunden und dir mein Zimmer überlassen. Also, es war wirklich nicht einfach die
Wirtin zu überzeugen. Aber ich sagte ihr du seist meine Schwester. Dann hat sie
grunzend zugestimmt. Ich bekam dann ein kleineres Kammerchen, aber es war zum
schlafen genug.“
Das entsprach natürlich nicht der Wahrheit, aber besser
sie würde so was denken als das sie neben ihm wieder geschlafen hatte. Eric log
nicht gerne, doch bei diesen temperamentvollen Wesen war es ihm doch lieber.
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