Die aufkommende Wucht der Gefühle, das seine Tochter für ihn wohl verloren war,
lies den älteren Mann weinen. Tränen liefen seine gebräunte wettergegerbte Haut
hinab und versiegten in der Mähne seines Pferdes. Das von den Göttern gegebene
Geschenk schien wieder zurückgenommen worden zu sein. Zu den Abendstunden
erreichte Guthilf wieder Vasudheim. Helen wartete vor dem gemeinsamen Langhaus,
mit hoffnungsvollem Blick. Doch als sie Guthilf alleine sah, wurde ihr Gesicht
von Traurigkeit überschattet. Gemeinsam betraten sie das Haus. Thoralf saß bei
einen Krug Met im Langhaus und ging seinen Gedanken nach, doch beim Anblick von
Helen und Guthilf stand er hastig auf.
„Habt ihr sie gefunden ? Ganz
Jordheim und Vasudheim hat sie nirgends gesehen. Sie muss also das Dorf
verlassen haben. Die alte Vettel Melinda hat Helen und mich nicht ins Haus
gelassen. Anscheinend war sie nicht da. Nun sagt doch Mann !“ platze es ihm
heraus. Ein eisiger Blick streifte Thoralf und lies ihn verstummen. Er
beschloss nun lieber ruhig zu sein und zuzuhören. Guthilf schien wohl etwas
herausgefunden zu haben.
„Helen, du musst jetzt stark sein.“ Guthilfs
Stimme war von Traurigkeit und Schwere belegt.
„Ich habe Nahe des
Holzhauses wo diese Ausgestoßenen hausen Spuren gefunden. Es.. es gab da wohl
einen Kampf, einen tödlichen. Ich fand eine Leiche......“
Helen schrie
auf und stürzte ihr Gesicht in die Hände und fing an zu weinen. Sie malte sich
in dem Moment das schlimmste aus. Bebend vom Schluchzen lies sie sich von ihrem
Mann in die Arme nehmen der fortfuhr zu reden.
„Der Tote war nicht unser
Kind, doch sie war darin beteiligt und wurde vielleicht
verschleppt.“
Zögernd nahm Guthilf das Stück Stoff heraus und reichte es
seinem Weib. Mit zitternden Fingern fuhr sie um das Stück Stoff und begann
erneut zu weinen, als sie erkannte was es war und wem es gehörte.. Initialen
waren in dem dunklen Stoff eingestickt, die Wulflyn´s Namen symbolisierten. Das
Stück Stoff war von Wulflyns Umhang abgerissen.
„Ich.. ich ... verstehe
nicht Guthilf. Lebt sie?“ „Ich weiß es nicht. Ich habe Hufspuren entdeckt und
nochmals von einem anderen, ein Nordmann schätze ich. Sie kann noch leben, oder
tot sein. Doch ich befürchte, das wir uns mit letzteren Abfinden sollten. Der
Verrückte hatte eine durchschnittene Kehle. Ich habe auch nichts entdecken
können, was unserer Tochter gehört haben konnte.. bis auf das Stück Stoff.
Helen, sie kann auch in den Fluss geworfen worden sein mit durchschnittener
Kehle, oder verschleppt um dort ermordet zu werden. Ich habe versucht die Spuren
des anderen Pferdes zu verfolgen doch da war nichts. Der gesamte Schlamm hat
alles verwischt. Sie kann nirgends und doch überall sein. Doch es wird leichter
für uns wenn wir vom Schlimmsten ausgehen. Liebste, die Götter scheinen wir
erzürnt zu haben, fluche nicht über sie.“
Guthilf versuchte seine Frau zu
trösten. Helen war voller Schock. Sie wusste nicht ob sie nun hoffen oder weinen
sollte, ihr Kind suchen oder versuchen sollte damit zu leben das sie nicht mehr
da war. Kummer machte sich in ihrem Herzen breit. Was sollte sie nur tun?
Hilfesuchend klammerte sie sich wieder an Guthilf.
„Ich will erst an
ihren Tod glauben wenn ich ihren Leichnam gesehen habe. Bitte lass sie suchen
Guthilf. Mit der Ungewissheit kann ich nicht leben.“
Zögernd nickte
Guthilf.
„Aye, ich werde sie suchen lassen, doch ich werde mich nicht
beteiligen. Thoralf wird gehen, und ich werde den Jarl Jordheims bitten mir zwei
Wächter zu geben, die auch bei der Suche helfen. Hier kann ich dich nicht
alleine lassen. Du wirst sie doch suchen Thoralf?“
Guthilfs Blick
fesselte den von Thoralf, der nun eifrig nickte.
„Es ist spät. Wir
sollten uns nun zu Bett legen. Thoralf, morgen früh erwarte ich dich hier. Wir
werden nach Jordheim gehen und den Jarl um Unterstützung bitten.“ „Aye. Ich
werde früh bei Euch sein. Macht euch keine Gedanken, ich werde Wulflyn schon
finden. Ihr ist bestimmt nichts geschehen!“ Mit einen kurzen Nicken verließ
Thoralf das Langhaus. Helen schaute mit Tränenumflorten Augen zu Guthilf. Mühsam
stand sie auf um sich an ihn zu lehnen.
„Ich hoffe bei den Göttern das
er recht haben mag. Ich hoffe es wirklich.“ „Ich auch meine Liebste. Nun
komm. Wir werden viel Kraft brauchen.“
Guthilf und Helen löschten das
Feuer im Kamin und begaben sich in ihr Zimmer. Schweigend legten sich beide zu
Bett und dachten nach, jeder mit seinen Gedanken für sich. Der heutige Tag war
für beide einer der schlimmsten gewesen, die sie seit langem hatten. Ihr größter
Wunsch der sich für beide vor langer Zeit erfüllt hatte, wurde so wieder
genommen. Tief in der Nacht schliefen sie ein, nicht wissend das etliche Meilen
im Süden, Wulflyn ruhig und sicher schlief.
Knurrend schüttelte Eric
Wulflyn. Er war entsetzt wie tief der Schlaf dieser Frau war. Schon seit wenigen
Minuten schüttelte er sie, damit sie die restliche Nacht Wache hielt. Doch mehr
als ein aufseufzen konnte er ihr bis jetzt nicht entlocken.
„Nun wach
doch auf!“ zischte er in ihr Ohr „Hmmmmm.“ bekam er nur zu hören, und dann
drehte sich Wulflyn, mit den Rücken zu ihm, um.
Fluchend stand Eric auf
und ging die wenigen Schritte zum Ufer. Er füllte sich seinen ledrigen
Trinkschlauch mit Wasser. Wenn er mit schütteln und Worten sie nicht
wachbekommen konnte, dann vielleicht mit der Kühle des Wasser. Grinsend legte er
sich so hin, das er in ihr Gesicht, so gut es eben ging beim Schein des Feuers,
sehen konnte. Langsam lies er die ersten Wassertropfen auf ihr Gesicht fließen.
Nichts geschah, außer einen leichtem Runzeln der Stirn. Nun kippte er den
gesamten Schwall aus den Schlauch auf ihr Gesicht, was endlich die gewünschte
Wirkung zeigte.
„Verflucht, bei Loki!“ schimpfend sprang Wulflyn auf und
schüttelte sich die triefende Kleidung. Das kalte Wasser lief ihr am Hals den
Rücken und die Brust herunter. Finster sah sie Eric an.
„Kannst du mich
nicht wecken wie jeden anderen Sterblichen auch? Ein Rufen hätte
genügt!“ „Das habe ich doch, du warst einfach nicht aufzuwecken.“ „Pah,
Unsinn. Du wolltest mich bestimmt nur wieder ärgern. Nun frier ich, schau was du
angestellt hast. Bist du vollends übergeschnappt?“
Mit verzogener Miene
zupfte sich Wulflyn das nasse Hemd vom Körper fort. Sobald sie es losließ klebte
es sich wieder an ihre Haut. Verärgert nahm sie ihr Bündel und wühlte nach einem
anderen Hemd. Eric grinste sie an. Ihr Temperament gefiel ihm zunehmend immer
besser.
„Du bist dran mit Wache halten. Ich würde gerne
schlafen.“ „Aye, aber zuerst möchte ich mir ein anderen Hemd anziehen, was
nicht so nass ist.“
Fragend hob sie eine Augenbraue. Er stand da und
grinste sie an, ohne Anstalten zu machen sich umzudrehen. Knurrend stand sie auf
und lief ein wenig in die Dunkelheit, ihr frisches trockenes Hemd
haltend.
„Lauf nicht zu weit weg Wulflyn. Ich würde dich ungern wieder
suchen müssen.“ rief Eric ihr glucksend nach. Es amüsierte ihn, das sie sich so
keusch zeigte, obwohl sie ihn schon in seiner ganzen Pracht begutachten durfte.
Eric überlegte ob sie ihm den Kopf abschlagen würde, wenn er ihr folgen würde,
entschied sich aber doch lieber hier zu bleiben. Kurz streckte er seine vom
sitzen steifen Glieder und legte sich dann sorgfältig hin, den Kopf auf seinen
am Boden liegenden Sattel ruhend. Wulflyn kehrte zurück. Schweigend
betrachtete sie den schlafenden Begleiter. Eigentlich war sie recht froh eine
Begleitung zu haben. So war sie nicht ganz auf sich alleine gestellt. Und sie
gab widerwillig zu, das sie sehr wenig wusste um alleine weit genug kommen zu
können. Und vielleicht würde sich Eric ja noch als freundlich erweisen mit der
Zeit. Sie legte ihr nasses Hemd nahe des Lagerfeuers zum Trocknen und machte
es sich bequem. Aus ihrem Beutel entnahm sie das kleine Ledergebundene Büchlein,
das sie von Meister Tambert bekommen hatte. Beim Schein des Feuers lernte sie
weiter einige neue Silben der feindlichen Sprache, wiederholte sie murmelnd
immer wieder, damit sie sich einprägten. So vergingen die Stunden in der Nacht,
ohne das etwas dazwischenkam. Langsam glitten die ersten Sonnenstrahlen im
Osten über den Himmel und färbten den einen Teil des dunklen Himmels zu einen
Leichten rosa. Wulflyn legte ihr Buch weg und prüfte ob Eric noch schlief.
Sie wollte die Zeit nutzen und im Fluss ein wenig schwimmen und sich den Staub
der Reise abwaschen, ohne seine Blicke. Auf leisen Sohlen schlich sie sich an
seiner Lagerstätte vorbei. Lächelnd beugte sie sich am Ufer zum Wasser hin und
prüfte die Temperatur. Es war kalt, doch genau so was bräuchte sie jetzt um die
restliche Müdigkeit fortzuspülen. Nach einen erneuten Blick Richtung Lager
entkleidete sie sich und stieg langsam hinein. Die Kälte lies sie anfangs
frösteln, doch nach einigen schnellen Zügen beim schwimmen wurde es ihr wieder
wärmer. Ein Geräusch lies sie aufhorchen. War da nicht eben etwas ins Wasser
geglitten? Vorsichtig blickte sie sich um, lies den Blick über das Ufer und die
Wasseroberfläche gleiten. Da war nichts zu sehen. Sie beschloss trotzdem zum
Ufer zurückzuschwimmen. Wie sich herausstellte war immer dann, wenn sie meinte
was gehört zu haben, wirklich etwas da, auch wenn es nicht zu sehen war. Mit
schnellen Zügen kam das Ufer näher. Wulflyn begann das letzte Stück zu gehen.
Das Wasser reichte ihr hier nur bis knapp über die Brust. Plötzlich riss sie
etwas unter Wasser. Durch den Aufschrei bekam sie viel Wasser zu schlucken.
Prustend kämpfte sie sich hoch. Sie war nun frei, nichts hielt sie fest. Ob sie
nur an einer Wurzel hängen geblieben war? Fluchend tauchte sie auf und sah sich
um. Endlich tauchte etwas auf. Erics nasser blonder Schopf und seine vergnügt
funkelnden Augen kamen in ihr Gesichtsfeld. Grinsend schwamm er näher und
erntete einen Schwall Wasser der ihm ins Gesicht gespritzt wurde, gefolgt von
wüsten Flüchen und Verwünschungen.
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