Beide waren sicher schon 10 Meilen gelaufen, schweigend, und nur den eigenen
Gedanken folgend. Eric kratzt sich gelegentlich an seinem Kopf. Heimlich
nestelte er am Zaum seines Pferdes, nur damit er beschäftigt war. Wie gern wäre
er davongaloppiert. Er war sich sicher, wenn dieser Vorfall nicht gewesen wäre,
hätte er schon längst ein warmes Strohlager irgendwo gefunden und konnte selig
schlafen.
Wulflyn hatte den blonden Wikinger mit keinem weiteren Wort
bedacht. Es erstaunte sie das es ihm nicht zu dumm wurde, schweigend neben ihr
herzulaufen. Widerwillig gestand sie sich aber ein, das sie sich viel sicher
fühlte mit ihm an der Seite. So schnell würde keiner sie in der Dunkelheit
anfallen. Nunja, vielleicht eine giftige Schlange. Aber das war eher
unwahrscheinlich. Wulflyn war müde. Immer wieder blinzelte sie mit den Augen um
wach zu bleiben. Mühsam unterdrückte sie ein Gähnen. Ob es wohl noch sehr weit
war bis zum nächsten Dorf? Ihre Gedanken wurden von Erics räuspern
unterbrochen.
„Ich bin übrigens Eric.“ „Schön.“ bekam er nur als
Antwort „Wie heißt du? Und woher kommst du?“
Wulflyn überlegte sich ob
sie ihm irgendeinen Namen sagen sollte, entschloss sich aber zur Wahrheit. Nur
bei dem Ort, woher sie kam, log sie.
„Wulflyn, Wulflyn Svandrick. Und ich
bin aus Jordheim.“
„Eine Städterin also. Kein Wunder das du in
Schwierigkeiten gekommen bist. Wohin willst du eigentlich reisen? Ich meine, du
bist spät aufgebrochen. Hast du irgendwas verbrochen?“
Abrupt blieb
Wulflyn stehen. Was dachte sich dieser vorlaute Kerl den? Fauchend antwortete
sie ihm.
“NAYE! Ich habe nichts getan. Ich bin einfach nur eingeschlafen
und .. und.. und einfach nicht rechtzeitig aufgewacht. Deswegen laufe ich so
spät los. Und ich war nicht in Schwierigkeiten. Wenn du nicht dazwischengekommen
wärst, hätte ich das schon erledigt!“ „Oh ja. Natürlich. Die Heldin, ja? Nun
komm weiter. Es dauert noch, bis wir Audliten erreichen." meinte Eric nur
trocken und zog sie weiter. „Du brauchst gar nicht über mich zu spotten. Ich
will nach Aegirs Bucht. Ich habe gehört das sie dort auch Midgarder zu Kriegern
ausbilden. Und das will ich werden. Eine Streiterin Midgards. Irgendwann werde
ich dann auch durch meine Ruhmestaten nach Walhalla gehen.“
Stolz
schwelgte in ihrer Stimme mit, doch war er sehr schnell verschwunden als Eric
anfing zu lachen. Erbost sah sie ihn an.
„Scheine dich ja sehr gut zu
unterhalten du Wollkopf. Was machst du eigentlich zu dieser Zeit draußen? Bist
du auf der Flucht vor einem Verbrechen ?“
Eric wischte sich eine
Lachträne fort. Erheiternd antwortete er.
„Entschuldige. Aber, du bist
eine Frau. Frauen haben meiner Meinung nach nichts zu suchen im Kampf. Sie
sollten Kinder gebären und aufziehen, Kleidung flicken, essen kochen. Ja. Das
sind die Heldentaten einer Frau. Aber doch nicht mit einer Waffe prügelnd durch
die Geschichte laufen. Was willst du den als Waffe nehmen? Einen
Kochlöffel?“
Wieder lachte er laut auf. Wulflyn fand das überhaupt nicht
komisch und funkelte ihn so gut es ging, in der Dunkelheit, an. Eric fuhr
fort.
„Die Albioner werden sich sicher fürchten. Noch besser, sie werden
wohl bei dem Anblick sich zu Tode lachen. Das ist wirklich eine gute Idee. Wir
schicken unsere Frauen mit Kochlöffel bewaffnet in den Kampf. Du kannst ja nicht
mal deinen Dolch in der Hand behalten.“ „Ach hör doch auf. Es gibt so viele
Heldinnen bei uns in Midgard. Agneta Windbjorn, Lassinda John, Carlaana Rotherz,
hier um nur drei zu nennen. Mit ihrem Verstand haben sie vielen aussichtlose
Schlachten doch noch zum Sieg verholfen. Ihre Taktiken und ihr Rat wird von
vielen Kriegsherren angenommen. Ich will auch so eine Heldin werden und Midgard
helfen. Und, damit du dir nichts einbildest, ich habe schon mit Schwert
gekämpft. Zweihand und Einhand mit Schild. Mein Va... Mein Meister hat mich
vieles gelehrt damals, und meinte ich hätte Talent. Nun erzähl, warum reist du
spätabends?“
Wulflyn musste sich auf die Zunge beißen. Beinahe wäre ihr
etwas entschlüpft.
„Ich gebe mich schon geschlagen. Es gibt wirklich
einige Frauen die Midgard unterstützen. Trotz allem bleibe ich der Meinung das
Frauen ins Haus gehören. Ich bin gegen Mittag schon aufgebrochen Wulflyn. Von
Mularn aus, kennst du das Dorf? Naye? Nun Jordheim hat zwei Stadttore. Das eine
ist Ausgang Vasudheim, das andere nach Mularn. Und da komme ich
her.“ „Natürlich weiß ich wo Mularn liegt. Ich bin doch nicht auf den Kopf
gefallen. Nur warum bist du dann erst jetzt hier? Ich meine du hast ein Pferd
und bist mittags aufgebrochen. Du hättest doch über Jordheim nach Vasudheim
gehen können, und dann wärst du doch sicher schon angekommen, oder irre ich
mich?“
„Naye du irrst dich nicht. Nur konnte ich wegen Coldaro nicht über
Jordheim gehen. Der Hengst würde verrückt spielen bei den Menschenmassen und
austreten. Deswegen bin ich über das Mularntal geritten. Es war ein langer Weg.
Mein Ziel ist im übrigen das gleiche wie deines. Aegirs Bucht. In Jordheim
nehmen sie nur noch Krieger in Schule, wenn sie ein Empfehlungsschreiben haben,
und so was hab ich leider nicht.“
Prüfend sah Wulflyn ihn von der Seite
an. Ihre Augen haben sich an die Dunkelheit gewöhnt. Durch das gelegentliche
erhellen des Mondes, konnte sie seine attraktiven Gesichtszüge allzu gut sehen.
Eric´s Stimme hat enttäuscht geklungen, als er über die Aufnahmebedingungen
sprach. Er wollte wohl vom ganzen Herzen ein Krieger Midgards werden, und zog
sogar soweit fort, um sich den traum zu erfüllen. Wulflyn´s Herz flog ihm voller
Symphatie zu.
„Warum hast du dir kein Pferd genommen?“ „Ich habe
nicht das Gold für ein Pferd.“ „Man kann doch für wenige Silber sich doch
eines leihen.“ „Ich habe auch kein Silber dafür. Das wenige was ich habe muss
für Nahrung und Unterkunft reichen.“ „Du bist mir eine tolle Heldin. Hast du
wenigstens eine Waffe?“ „Naye. Ich hab mich kurzfristig dazu entschlossen und
konnte nicht viel mitnehmen.“
Eric seufzte auf. Diese Frau war wirklich
seltsam. Sie wollte etwas werden aber dachte nicht an solch etwas sinnvolles wie
ein Pferd oder Schwert.
„Ich denke zum Sonnenaufgang sind wir in
Audliten. Unsere Wege werden sich dann trennen.“ „Aye. Vielleicht sehen wir
uns irgendwann wieder. Wer weiß.“ „Lass uns ein Stück reiten, Wulflyn.
Coldaro kann uns beide tragen, und wir kommen schneller so
voran.“
Misstrauisch betrachtete sie Erics pechschwarzes Ross. Das Pferd
war den ganzen Weg schon etwas wild gewesen. Sie hatte nicht die geringste Lust,
sich von dem Gaul abwerfen zu lassen.
„Naye. Ich laufe lieber.“ „Stell
dich nicht so an.“ Eric zwang sie zum stehen bleiben indem er sie
festhielt. „Ich stell mich nicht an, ich will nur nicht reiten.“ erwiderte
sie bockig. „Ich würde mich gerne aber ein paar wenige Stunden wo hinlegen
und ausruhen ehe ich weiterreise. Aber das wird nicht möglich sein, wenn wir
weiterhin so trödelig gehen.“ „Dann reite du vor. Ich gehe.“ „Weib, du
raubst einen den letzten Nerv! Wir reiten habe ich gesagt.“ „Naye!“ zornig
hob Wulflyn ihr Kinn. Die Symphatie erlosch zunehmend. Warum wollte er sie zu
etwas zwingen? „Keine Widerrede.“
Eric beendete das Wortgefecht indem
er Wulflyn den Beutel entriss und auf den Boden stellte. Seine Hände umschlossen
ihre Hüften und er hob sie auf den Pferderücken. Durch Wulflyns zappeln und
fluchen begann Coldaro zu tänzeln und schnauben. Als sie endlich stillsaß um das
Tier nicht weiter aufzuregen, drückte er ihre Habe in die Hand und stieg hinter
ihr auf. Grinsend umfasste er erneut ihre Taillie und griff nach den
Zügeln.
„Meine Dame, sie erfreuen mich mit ihren anschmiegsamen Körper.“
scherzte er und vernahm lachend das empörte Fluchen.
„Halt dich gut
fest. Ich würde dich ungern am Boden liegen sehen.“ Damit gab er seinen Hengst
die Fersen leicht zu spüren, welches in einen leichten Galopp fiel.
Es
war zwar ein wenig gefährlich, auf einen eher fremden Weg zu galoppieren. Aber
so kamen sie wenigstens ein gutes Stück voran. Beide schwiegen, Wulflyn wegen
der Behandlung empört, Eric auf den Weg konzentriert. Wulflyn selber
klammerte sich mit der einen Hand an die Mähne des Pferdes. Durch das leichte
schaukeln wurde sie immer wieder gegen Erics Brust gedrückt. Zum Glück hielt er
sie noch zusätzlich fest, auch wenn ihr das nicht gerade gefiel. Der Wind
streichelte bei der schnellen Gangart ihre Wangen, und lies sie die Augen immer
wieder schließen. Bleiernde Müdigkeit machte sich in ihr breit, und von einen
Augenblick auf den anderen schlief sie ein. Eric lies nach einigen Meilen
sein Tier wieder in Schritt fallen. Erst jetzt fiel ihm auf das seine
Begleiterin eingeschlafen war. Ihre Hand hatte sich von der Mähne des Pferdes
gelöst und hing herunter. Sie selbst war an ihn gelehnt, die Kapuze
heruntergerutscht und ließ das lange Haar frei. Mühsam unterdrückte er ein
auflachen. Sie wollte eine Heldin sein und schlief auf einen Pferd ein. Dieser
Gedanke amüsierte ihn.
Während des Rittes schlief Wulflyn den Schlaf
einer Toten. Auf der rechten Seite erstreckten sich im Morgengrauen die hohen
Mauern vom Wachturm in Audliten. Eric lenkte sein Pferd links auf die Brücke.
Klopfende Hufe durchdrangen den erwachenden Morgen, gefolgt vom jungen
Gezwitscher aufwachender Vögel. Sie bemerkte nicht wie Eric sein Pferd
anhielt und abstieg. Nichts konnte sie jetzt wohl wecken. Mit erheblicher Mühe
hob er sie herunter, erstaunt wie fest sie ihren Beutel umklammert hielt. Mit
vorsichtigen Bewegungen hob er sie auf die Arme. Er war erleichtert als sein
Onkel aus dem Haus kam und ihm entgegenwinkte. Eric war erwartet worden.
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