DAoC-Forum.de | Story Forum | Geschichte einer Skaldin (alt: ein neues Leben...)
Ihr Magen rebellierte. Er schrie nahezu danach diese Ungerechtigkeit loszuwerden. Im stillen bereute sie ihre grosse Mahlzeit. Das letzte was sie jetzt gebrauchen konnte, war, das sie sich übergab. Sie dachte weiter nach. Das durfte einfach nicht wahr sein. Wie konnte sie sich herausreden? Langsam reifte ein Plan in ihrem Kopf heran. Sie tat erschöpft und senkte den Kopf

"Ihr mögt ihn, aye ?" fragte sie kleinlaut.
"Natürlich. Er ist ein guter Junge."
"Ihr habt eigentlich recht. Er ist gutaussehend, und in ein paar Jahren bestimmt ein würdiger Krieger. Und er ist so freundlich und hilfsbereit."

Hastig biss sie sich auf die Zunge. Wenn sie auf einmal zu sehr von ihm schwärmte wäre es nur zu verdächtig.

"Ich glaube ich war nur so erschrocken, weil alles auf einmal kam. Und ich bin so furchtbar müde. Bereden wir doch bitte morgen abend nochmals alles, aye ?"

Helen und Guthilf tauschten erneut Blicke. Ein kommentarloses Achselzucken war nur die Antwort.

"Sicher doch Kind. Schlaf dich mal aus. Du brauchst nun ein wenig mehr Schlaf. Morgen kannst du ja mit Thoralf nochmal alles bereden. Und dann mit uns."

Nickend stand Wulflyn auf. Sie würde Thoralf lieber die Kehle durchschneiden als nur ein einziges Wort mit ihn zu wechseln. An der Tür zwang sie sich zu einen Lächeln was sie ihren Eltern schenkte. Verstohlen betete sie zu den Göttern das die Lüge, die sie nun heraus brachte, ihr bald vergeben sein würde.

"Ich muss noch einiges nachdenken über die Situation. Bitte stört mich den morgigen Tag nicht. Es gibt vieles zu planen. Und ich teile es dir am Abend dann alles mit Mutter. "

Freudig nickten ihr die Eltern entgegen. Anscheinend nahmen sie ihr das ab. Erschauernd eilte Wulflyn in ihre Kammer. Es gab viel zu tun in den wenigen Stunden.

Mühsam stopfte Wulflyn einige Habseligkeiten in den Beutel. Sie konnte nicht viel mitnehmen. Das wenige Gold was sie sich zusammengespart hatte, müsste für einige Tage reichen. Vieles musste sie zurücklassen. Hastig packte sie ein gutes Leinenkleid, sowie eines mit mehr Flicken ein. Unterkleidung, Kämme, drei verschiedene Tücher, zwei Dolche und die Bekleidung die sie damals beim Waffentraining trug, folgten.
Es war schon ein oder zwei Stunden nach Mitternacht. Gelegentliches Wolfsgeheul unterbrach die stille Nacht. Manchmal von den Geräuschen einer zirpenden Grille begleitet.
Sie band sich ihren dunklen Kapuzenumhang um die Schultern und versteckte ihr Gesicht tief in dessen Kapuze. Keiner sollte sie sehen. Sie wollte keine Zeugen haben, die ihre Flucht aus Vasudheim beobachteten. Den dritten Dolch befestigte sie mit einen Lederband an den Gürtel ihres Kleides. Der Dolch versteckte sich in den Falten. Falls es zu Auseinandersetzungen kam war er schnell zur Hand.

Wulflyn horchte an der Tür. Als sie sich sicher war, das alles schlief, glitt sie geräuschlos hinaus. Auf Zehenspitzen verlies sie das Langhaus und ging Richtung Wirtshaus. Sie musste ein wenig Proviant mitnehmen.
Mit vorsichtigen Druck entriegelte Wulflyn die Tür. Sie hoffte das sie diesmal nicht so laut quietschen würde. Innerlich verfluchte sie sich. So oft hatte sie sich vorgenommen die Scharniere einzuölen. Warum hatte sie das nur nicht getan ? Erleichtert atmete sie auf als die Tür lautlos aufschwang.
Gequält untergrub sie einen lauten Aufschrei als sie sich ihren Fuss gegen das harte Tischbein stiess. Mit tastenden Armen presste sie Obst, Brot, Käse und etwas gedörrtes Fleisch in den bereits schon etwas übervollen Beutel. Leise schlich sie sich wieder hinaus und schloss wieder die Tür.
Vorsichtig sah sie sich nach Einwohnern des Dorfes um die noch wach waren. Nichts war zu hören oder zu sehen.
Wulfyn lief über den Dorfplatz. Sie wollte noch zu Melinda. Einige Kräuter holen, und die Salbe für ihre Hände. Betend hoffte sie, das die alte Frau noch wach war.

Erschrocken machte sie im letzten Moment einen Satz über die Beine einer schlafenden Wache. Hat er sie gehört ? Nein, er schnarchte weiter. Eilig bewegte sich Wulflyn fort. Es war so dunkel, und oft stolperte sie über kleinere Steine. Fluchend fing sie sich wieder und erreichte endlich das Haus Melindas. Leise klopfte sie gegen die Tür.

"Melinda... ich bin es, Wulflyn. Bitte macht auf." sagte sie gegen die Tür.

Sie hoffte so sehr das Melinda wach war. Ein Lichtschein erhellte ein Teil von ihr, als sich die Tür öffnete. Erleichtert schob sich Wulflyn hindurch und schloss die Tür rasch hinter sich.

"Kind, was tust du um diese Zeit hier ? Solltest du nicht zu Bett sein ?"
"Melinda, ich habe keine Zeit. Ich muss hier fort. Wenn ich nicht heute Nacht gehe, werde ich zu etwas gezwungen was ich nicht will. Ich wollte mich von dir verabschieden, und.. und um einige Kräuter bitten die ich auf einer Reise gebrauchen kann."
"Aye. Ich sehe das sich nun langsam dein Schicksal erfüllt !"

lächelnd zog die alte Dame Wulflyn auf einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber. Ihr knochiger Finger deutete auf sie.

"Hör mir gut zu Kind. Das Medaillion mit den Wolfskopf, hast du es dabei ?"

Zögernd holte Wulflyn ihr Medaillion hervor. Sie hat sich nie darum Gedanken gemacht, es aber immer getragen, als Melinda ihr vor etlichen Wintern mal erzählte es sei ihr Glücksbringer.

"Dieses Medaillion wird dir helfen deine wahre Herkunft zu erfahren Kind."
"Wahre Herkunft?" Wulflyn schnappte nach Luft.
"Aye. Helen und Guthilf sind nicht deine leiblichen Eltern. Sie haben dich im Wald gefunden. Mit einer Frau. Sie verschwand aber. Helen und Guthilf hielten es für besser dir nichts davon zu erzählen. Nun ist es aber soweit. Irgendwann wirst du deine wahre Herkunft erfahren, Wulflyn. Gib nur niemals das Medaillion aus deiner Hand. Mehr kann ich dir nicht sagen. Egal wo du umherziehst, es wird immer Leute geben, die dir weiterhelfen können."
"Aber.. das versteh ich nicht." Wulflyn verstand wirklich nicht.
"Du wirst irgendwann verstehen lernen. Ich sagte dir beim letzten Mal doch, das du vor Sonnenaufgang zu mir kommen sollst Kind. Die Sterne stehen gut für deinen Aufbruch. Und die Götter haben es mir zugeflüstert das heute dein Schicksal beginnt. Hier, nimm das an dich. Es wird dir helfen. Schau aber erst bei Tageslicht in das Kästchen. Ich packe dir nun noch einige Kräuter zusammen. Und dann musst du fort. Deine Zeit wird knapp."

Wulflyn sagte nichts. Sie war verwirrt. Was war den nur los ? Warum sprach Melinda so geheimnisvoll ? Nachdenklich betrachtete sie das Kästchen. Das kleine Kästchen was sie in der Hand hielt war aus Ebenholz hergestellt. Kleine Runen verzierten den Deckel. Zögernd steckte sie es in ihren immer unförmigeren Sack.
Sie hatte soviele Fragen. Über ihr Schicksal, über die Götter, über alles. Doch Melinda würde nichts mehr sagen. Sie hatte sich praktisch schon verabschiedet.

Melinda trat wieder zu Wulflyn. Ein Bündel Kräuter drückte sie ihr in die Hand. Wulflyn erstaunte es immer wieder, wie gut die blinde Frau ohne ihre Augen sah.
"Hier hast du noch etwas für deine weitere Arbeit mit Alchemie. Einen Mörser und einen Alchemiekasten. Den schenke ich dir, weil heute dein Namenstag ist. Nun schau nicht so und verschwinde nun. Leb wohl Kind"
"Aber..."
"Leb wohl Wulflyn. Achte auf dich."
"Leb wohl ..." damit verabschiedete sich Wulflyn und schritt hinaus.

Melinda schloss hinter Wulflyn die Tür. Sie lächelte. So lange Zeit hatte sie darauf gewartet. Müde ging sie zu Bett. Ihre Aufgabe war erfüllt.

Wulflyn starrte in die Dunkelheit und kämpfte mit den Tränen. Jetzt war einfach nicht der richtige Zeitpunkt zu weinen. Voller Mühe schluckte sie ihre Angst herunter. Es war Zeit aufzubrechen. Wulflyn wandte sich dem Westen zu. Mit grosser Vorsicht erreichte sie den Dorfrand. Endlich konnte sie ihren Schritt beschleunigen.
Sie war jetzt frei.