5 Jahre früher ...
Utgar wich elegant dem gegen
seinen Bauch gerichteten Schwertstoss aus und drehte sein Schwert in einer
Konterbewegung zum Hals des Angreifers. Einen Fingerbreit vor der Kehle der
Elfin stoppte er die Bewegung und verhielt in dieser Position. Für einen
massigen Mann bewegte er sich recht zügig und elegant.
Santonia lächelte
und Utgar senkte seine Waffe. „Ich stelle erfreut fest das deine Ausbildung
abgeschlossen ist Utgar.“ Eine feierliche Stille entstand. „Du hast nun alles
gelernt was ich dir beibringen konnte - und ich schwöre dir, ich habe alle
Tricks angewandt, die mir bekannt sind.“ Wieder lächelte sie. „Du warst schon
immer mein bester Schüler. Aber das du mich eines Tages schlagen würdest...“ nun
seufzte sie „trifft mich mehr als ich erwartet hatte.“
In einer
schnellen Geste warf sie ihr langes weisses Haar nach hinten und klatschte in
die Hände. Die zahlreichen Schüler um sie herum stellten ihre Übungen ein und
wandten sich zu ihrer Meisterin um. Die meisten der Schüler waren junge
ehrgeizige Elfen. Und nur die besten wurden von der Meisterin aller
Schwertmeister, Santonia, unterrichtet.
Vor 3 Jahren hatte er die
Ausbildung an dieser berühmten Schwertmeisterschule aufgenommen. Als junger
Bursche, der kaum 16 Sommer alt war, hatte er hier an die Tür geklopft und
Santonia eine Schriftrolle seiner Mutter übergeben. Diese entrollte sie und
runzelte die Stirn als sie Jadekatzes Botschaft las. „Deine Mutter wünscht das
ich dich in der Kunst des Schwertkampfes unterrichte. Normalerweise lehre ich
diese Kenntnisse nur Elfen, aber ich schulde deiner ehrbaren Mutter einen
Gefallen, da sie mich vor einigen Jahren von einer schweren Verletzung geheilt
hat.“ Sie starrte Utgar an und betrachtete ihn mit dem geschulten Blick einer
Kriegerin die ihren Gegner einzuschätzen versucht. „Stark bist du, aber dir
fehlt die Gewandheit deiner Mutter.“ verspottete sie den jungen Mann dessen
plötzliches Aufblitzen in den Augen ihre Spottverse jäh unterbrach.
Sie
musterte ihn noch eindringlicher und nickte dann erfreut. „Ich stelle erstaunt
fest das du das Feuer hast welches man als Krieger braucht, aber du musst an
deiner Jähzornigkeit noch arbeiten. Sie verleitet einen zu unüberlegten
Handlungen.“ Utgar nickte knapp und dachte an die Lektionen seines Vaters Ahtan.
Er hatte ihn viel gelehrt, aber Santonia war unbestritten die beste
Schwertkämpferin unter den Elfen und er konnte noch viel mehr hier lernen.
„Ich mag dich Utgar. Du bist kein Mann grosser Worte. Etwas was ich an
einem Krieger sehr schätze.“ Etwas verlegen senkte der hochgeschossene Jüngling
seinen Blick da ihn die Schönheit seiner zukünftigen Lehrmeisterin doch etwas
unsicher machte. Er war zusammen mit seinem Bruder Butor im Grenzland
aufgewachsen und hatte ausser seiner hübschen Mutter noch keine anderen Frauen
gesehen, geschweige denn eine der geheimnisvollen Elfinnen.
„Konzentriere dich auf das Wesentliche!“ durch seinen Kopf ging dieser
geheimnisvolle Ausspruch seines Vaters und er versuchte ihn zu beherzigen.
„Ich fühle mich geehrt von Euch lernen zu dürfen.“ stammelte Utgar mit rotem
Gesicht und fühlte sich recht linkisch, während Santonia ihm intensiv in die
Augen sah. Sie kniff die Augen zusammen und Utgar wurde immer verlegener.
Dann brach sie in schallendes Gelächter aus. „Utgar, ich mag dich wirklich!“
Ihre Augen funkelten vor Belustigung und ein Lächeln stahl sich auf ihr hübsches
Gesicht.
„Nun geh zu Aristam und lass dir von ihm ein Zimmer zuweisen.
Morgen früh beginnt die Ausbildung.“
Sie drehte sich um und entschwand
mit verführerischen leichten Schritten. Ganze Eleganz und Kraft strahlte aus
ihrer Bewegung. Utgar ertappte sich dabei wie er ihr nachstarrte und begierig
darauf war von ihr unterwiesen zu werden. Als er im Geiste sich vorstellte wie
sie zusammen kämpften und sich dabei zwangsläufig berührten, fühlte er sein Herz
rasen und immer schüchterner werden.
„He Junge, träumst du?“ eine Hand
legte sich auf seine Schulter und holte ihn prompt in die Wirklichkeit zurück.
Langsam drehte er sich um, um den Störenfried zu mustern. Ein alter Mann stand
vor ihm und seine spitzen Ohren wiesen ihn als Elfen aus. „Ich bin Aristam. Du
musst Utgar sein, Santonia erzählte mir von dir.“ Freundlich streckte er seine
Hand aus und Utgar ergriff sie mit seiner Riesentatze. „Ich freue mich dich
kennen zu lernen Aristam.“ Utgar war zwar ein Hüne und sah ungeschlacht aus,
aber die Umgangsformen hatte er eindeutig von seiner lieblichen Mutter gelernt.
„Komm mit Junge, ich zeig dir dein Zimmer.“ Sie eilten durch viele
marmorne Korridore und blieben schliesslich vor einer Tür stehen, die Aristam
aufstiess. „Hier ist dein Zuhause für die nächste Zeit. Machs dir bequem.“ Der
alte Elfenmann lächelte und zog sich schnell zurück. Utgar machte einen
Schritt vorwärts und stand in einem kleinen Zimmer. Schlicht eingerichtet, mit
einem winzigen Fenster von wo aus man einen Blick in einen traumhaften grünen
Frühlingsgarten werfen konnte. So packte er seine Habseligkeiten aus und
sortierte sie in die kleinen Regalbretter an den Wänden ein. Erschöpft von
der langen Reise aus dem Grenzgebiet streckte er seine grosse Gestalt auf dem
viel zu kleinen Bett aus, die Matratze hing beträchtlich durch, und schlief
alsbald ein. Während des Hinüberdämmerns dachte er an Santonia und seine
Lederhose beulte sich beträchtlich aus.
Am nächsten Morgen tönte
Geschrei über den Flur und Utgar taumelte schlaftrunken auf den Gang hinaus um
sich wie die anderen Schüler an der Wand aufzureihen um die Tagesbefehle
abzuwarten. Neben ihm stand ein junger Elf, Alter liess sich bei dieser Rasse
immer schwer schätzen, und lächelte ihn an. „Du bist neu oder? Ich heisse Acer.“
Utgar lächelte zurück und mochte den Grünhaarigen spontan. Ein sympathischer
Bursche und vielleicht, in Elfenjahren gesehen, genauso alt wie Utgar.
Erwartungsvoll sahen beide nach vorne als sich die Ausbilder näherten.
Einige vernarbte Elfen und Santonia. Utgar kam nicht umhin sie bewundernd
anzuhimmeln. Als sie zu ihm sah, sah er schnell zu dem linken zernarbten
Ausbilder und wurde unwillkürlich rot als er an seinen nächtlichen Traum dachte.
Die Ausbilder marschierten die Front der Schüler ab und jeder suchte sich einen
Schützling für den heutigen Tag aus. Acer knuffte Utgar in die Seite und
flüsterte ihm verschwörerisch zu: „Ich halte jede Wette das Santonia dich heute
auserwählt.“ Utgars Herz machte vor Freude einen Hüpfer wenngleich er sich
wieder schrecklich unsicher fühlte.
Als Santonia die Reihe abschritt
blieb sie vor Utgar stehen und bedeutet ihm zu folgen. Gehorsam trottete er
hinter ihr her und starrte auf ihre schlanken Hüften die sich verführerisch vor
ihm bewegten. Hinter sich hörte er ein leises Kichern seines neuen Freundes Acer
das abrupt endete als der eine zernarbte Ausbilder den grünhaarigen Elfen
anbrüllte ob er etwas komisch fände.
Gemeinsam gingen sie auf den Hof
und Santonia betrachtete Utgar professionell. Hol dir ein Schwert von der
Kriegswand dort vorne und zeig mir was du kannst. Ich möchte sehen wieviel du
bisher weißt. Utgar hechtete zur Holzwand und nahm ein schweres Breitschwert von
den Haken. Mit seiner rechten Hand schwang er es in eleganten Bewegungen und
seine Armmuskeln schwollen mächtig an als er dieses für einen Elfen kaum
handhabbare Schwert mit Leichtigkeit schwang. Jetzt ist sie bestimmt von mir
beeindruckt dachte Utgar im Stillen bei sich. Diese Übung hatte auch nur den
Zweck seine neue Meisterin auf sich aufmerksam zu machen.
„Hmpf“ kam es
aus ihrem hübschen Mund als sie das angeberhafte Verhalten ihres jungen
Schützlings bemerkte. „Du bist lahm wie ein Firbolg und genauso tölpelhaft!“
Utgar fühlte sich beleidigt als er Santonias derartiges Desinteresse an ihm
wahrnahm. Beleidigt und gleichzeitig noch mehr angezogen von ihr als zuvor. Ihre
arrogante Art verunsicherte ihn und liess sie gleichzeitig noch gottgleicher und
... interessanter ... für ihn erscheinen. „Ist das alles was du kannst? Dann
verschwendest du meine Zeit!“ Ihre abfällige Art liess ihn vor Zorn glühen.
Gestern war sie doch noch so nett zu ihm gewesen. Sein nächtlicher Traum schien
in immer weitere unerreichbare Ferne zu rücken. „Na komm Junge, greif mich
an, zeig mir das du nicht der Dilettant bist wie ich glaube.“ Zornbebend warf er
sich mit einem mächtigen Kriegsschrei der Nordmänner auf Santonia in der
Erwartung sie zu besiegen und damit ihre Achtung zu gewinnen. Achtung ... und
vielleicht auch mehr... In Gedanken sah er sie schon „erretten“ und dankbar von
ihr umarmt zu werden.
Umso abrupter änderte sich diese schöne
Vorstellung in brutale Realität. Während er noch mit einem mächtigen Hieb nach
ihr einhieb tänzelte sie einfach minimal zur Seite und hieb ihm mit der flachen
Seite ihres schlanken Schwertes auf den Hintern. Sie lachte dabei und schien die
Vorstellung sichtlich zu geniessen. Für einen Krieger, und einen jungen und zum
ersten Mal verliebten Mann, umso demütigender. Mit rotem Kopf und einem noch
lauteren Kriegschrei warf Utgar sich herum und stürmte erneut auf sie ein.
Seinen Streich parierte sie und liess ihn wirkungslos abgleiten während sie ihm
ein Bein stellte und er vor ihr in den Staub fiel. Bevor er sich stöhend
aufrichten konnte fühlte er die Spitze ihrer Klinge am Hals und ein kleiner
Blutstropfen trat hervor.
Gedemütigt schaute er zu ihr hoch und himmelte
sie geradezu an. Dies musste Santonia wohl bemerkt haben denn sie seufzte erneut
und sprach mit ruhiger gelassener Stimme: „Du brauchst wirklich noch sehr viel
Übung Utgar und deine Kenntnisse reichen normalerweise nicht aus um an meiner
Schule aufgenommen zu werden - aber - ich mag dich wirklich. Wir kriegen das
noch hin.“
Dankbar sah er zu ihr hoch und sie nahm die Spitze weg.
In den folgenden 3 Jahren trainierte Utgar hart. Er stand früher auf
als die anderen, begann mit Kraftübungen, lief durch den zugehörigen Hainwald,
schwamm im nahen See und war mit Eifer bei den Lektionen der Ausbilder. Der
Wunsch Santonia zu imponieren und sie auf ihn aufmerksam zu machen liess ihn nie
innehalten. Eines Abends erfuhr er, als Santonia nach dem Abendessen wie üblich
Geschichten aus ihrer Kriegszeit erzählte, das sie als junge Frau einen Schwur
geleistet hatte. Um das Kriegshandwerk zur Perfektion zu führen schwor sie, nie
einen Mann zu lieben und sich mit ihm zu vereinigen bis es einen gebe der sie im
fairen Schwertkampf schlagen würde. Dies wäre das Zeichen das sie versagt hätte
und nicht für das Kriegshandwerk bestimmt wäre. Erst dann würde sie ihre
Pflichten ändern und die Priorität in ihrem Leben auf die Familie lenken.
Die Elfenschüler nickten bewundernd ob dieser heroischen Einstellung und
bemerkten nicht wie Utgar ganz in Gedanken verloren war und den Rest des Abends
wie apathisch neben ihnen sass. Nur Acer, der mit Utgar öfters Kampfübungen
trainierte, bemerkte das Gefühlschaos seines grossen Freundes. Da er ihn sehr
mochte, half er ihm bei allen Schwertübungen und widmete einen grossen Teil
seiner freien Zeit der Verbesserung von Utgars Schwertkünsten. Er wusste von
Utgars Gefühlen, aber war so taktvoll ihn nie darauf anzusprechen. Und doch tat
er sein Möglichstes um seinem Freund zu helfen. Dies war sehr ungewöhnlich da
Elfen normalerweise niemals mit anderen Rassen Freundschaft schlossen. Aber er
mochte den grossen, stillen und ernsthaften jungen Mann der so hart trainierte.
Eine Fähigkeit die bei Elfen nicht so ausgeprägt ist, von wenigen Ausnahmen wie
bei Santonia, einmal abgesehen.
Und so kam es das die Monate ins Land
gingen und Utgar zu einem immer besseren Kämpfer wurde. Die nächtlichen Träume
wurden immer angenehmer und zugleich quälender. Und umso intensiver trainierte
er am darauffolgenden Tag.
Dann, nach 3 Jahren, war es soweit.
Die Schüler sammelten sich zusammen mit den Ausbildern um Santonia die
auf Utgar zeigte und laut rief so das es alle hören konnten: „Utgar ist fortan
kein Schüler mehr. Ihm ist es gelungen was nie zuvor einem Mann gelungen ist. Er
hat mich eben geschlagen...“ Ihre Stimme wurde leiser, sie senkte den Blick, und
Sekunden des Schweigens verstrichen. Als sie ihren Kopf hob sah man ihre harte
Fassade bröckeln als sie Utgar ansah und ihre Knie wurde schwach als sie
taumelte. Utgar machte einen raschen Schritt als sie fiel und hielt sie fest.
Dabei lehnte sie ihren Kopf an seine Brust und...
„Utgar komm schnell es
ist etwas Schreckliches passiert.“ Aristams Stimme dröhnte über den
Trainingshof. Utgar liess Santonia sanft los und gab sie in die stärkenden Arme
seines Freundes Acer als er über den Hof lief und zu Aristam aufschloss der am
Tor stand und eine beschriebene Rolle in der Hand hielt. „Hier ist eine
Nachricht deines Bruders Butor. Du sollst schnell nach Hause kommen, es ist
etwas Schreckliches passiert...“
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