Kapitel 5
Nun war ich allein. Allein mit meinem Schmerz.
Allein mit dem Gefühl des Verlustes. Allein mit dem Verlangen mich ihr
anzuschliessen, um sie vielleicht an der Seite ihrer Götter wiederzusehen.
All das würde ich auf mich nehmen, auf meinen mir rechtmässig zustehenden
Platz in Walhalla, an der Seite meiner angebeteten Göttin Skadi verzichten .....
Wenn ich mit meiner Geliebten wieder vereint sein könnte.
Ihr Kopf
ruhte in meinen Armen und ich sah in ihre starren Augen, die trotz des
festgesetzten Lächelns in ihrem Gesicht traurig blickten.
Sie war noch
so jung und hatte sich der Liebe wegen für mich geopfert.
Ich vergrub
mein Gesicht an ihrem und flüsterte leise und sanft meine Abschiedsworte. „Wenn
Liebe könnte Tote wecken, dann würde dich mein Stern, nicht kalte Leere
decken...“
Mit diesen Worten legte ich sie sanft hin um mich allein auf
den Weg zu machen. Einen Weg zu suchen wie ich ihr das Leben wiedergeben könnte.
Die Abschiedsworte klangen in meinen Gedanken nach, als ich die Tränen
wegblinzelte um mich auf den Weg vor mir zu konzentrieren.
„Mein
Stern....“
Erinnerungen kamen auf. Schöne Erinnerungen. Erinnerungen an
die glücklichste Zeit unseres kurzen Beisammenseins.
...... ....
...... ...
„Ich habe eine Idee.“ entfuhr es meiner Angebeteten.
„Ich kenne diesen Teil des Waldes. Als wir von Tir Na Nogh aus hierher kamen
haben wir diese Stelle passiert. Nicht weit von hier ist ein Abhang an dessen
unterem Ende ein gewaltiger Fluss strömt. Folge mir.“
Durch den
Blutverlust nahm ich alles wie durch einen Nebel war und ich stolperte ihr
hinterher. Warum ich ihr folgte weiss ich nicht, wahrscheinlich vertraute ich
ihr.
„Ahtan du Feigling. Hör auf wie ein Hund davon zu laufen und kämpfe
endlich wie ein Mann!“ Mit einem Krächzen ob dieser Schmähung wollte ich erneut
herumwanken, kam aber ins taumeln und wäre fast gestürzt. Talan war nicht mehr
weit entfernt und schien immer mehr aufzuholen. Steinkopf war etwas
zurückgefallen, da sein breiter Körper Schwierigkeiten hatte sich durch den
immer dichter werdenden Wald voranzukämpfen. Eine schlanke feste Hand zog
mich zurück und kluge grüne Augen bohrten sich in meine. „Jetzt ist nicht die
Zeit zu kämpfen oder deine Mannesehre zu verteidigen.“ Jadekatzes Stimme klang
streng. „Jetzt ist die Zeit zu leben. Und das wirst du nicht mehr lange wenn du
jetzt erneut einen törichten Versuch unternehmen willst deine angegriffene Ehre
zu verteidigen!“
Wut kam in mir auf. Kein Weib hatte das Recht so mit
einem Krieger zu reden! Aber als ich in ihre klaren Augen sah, verrauchte mein
Zorn augenblicklich denn ich sah das sie ernstlich besorgt um mich war. Ohne
ein weiteres Wort zu sagen rannte ich hinter ihr her, immer in der Erwartung das
Talans Axt sich in meinen Rücken bohren würde. Benebelt wunderte ich mich
das Jade auf einmal vor meinen Augen verschwand. Noch ehe ich reagieren oder
abstoppen konnte strauchelte ich ebenfalls an dem aufgetauchten Abhang und
rutschte hinunter. Der Schmerz in meiner Schulter liess mich aufschreien und aus
den Augenwinkeln nahm ich die rote Spur wahr, die ich auf dem laubigen Abhang
hinter mir herzog.
Jade rutschte vor mir, aufgrund meines wesentlich
höheren Gewichtes hatte ich sie bald eingeholt und zusammen klatschten wir im
Wasser auf.
Die Strömung riss uns sofort mit und mit hektischen
Bewegungen versuchte ich den Kopf über Wasser zu halten. Meine Lederrüstung sog
sich voll und schien mich nach unten zu ziehen. Der Schmerz in meiner Schulter
drohte mir das Bewusstsein zu rauben und wild schrie ich um Hilfe als ich Wasser
schluckte.
Ich fühlte mein Ende nahen und dann verliessen mich die
Kräfte. Ich spürte noch helfende Hände die mich packten .... und dann ....
schwärzeste Dunkelheit.
Ich ging auf einem dunklen Pfad, jeder
Schritt führte ins Ungewisse. Links und rechts des Weges lauerte etwas
unaussprechliches. Panik erfüllte mich, Angst wie ich sie nie gekannt hatte. Ein
Gefühl das eines Kriegers unwürdig war. Aber doch so erbärmlich stark. Die
Finsternis verursachte mir tiefstes Unbehagen und unsicher und zitternd folgte
ich dem Pfad den ich mehr spüren als erahnen konnte. Hinter mir lag der Tod.
Und ich könnte schwören das der Weg vorwärts auch dorthin führen würde. Hier
kommt eine dieser Eigenschaften zum tragen, die wohl automatisch unseren
Verstand vor dem Wahnsinn schützt. Die Fähigkeit in einer ausweglosen Situation
sich in das Schicksal zu fügen und ohne Klage gemessenen Schrittes dem
unvermeidlichen Ende entgegen zu schreiten um mit dem letzten Rest an Würde ein
leuchtendes Beispiel zu geben. Aber was war das? Am Ende des Pfades
tauchte ein Licht aus der Dunkelheit auf. Ein schimmerndes, helles Licht. Etwas
das Wärme und Frieden verhiess. Dieses Licht eilte auf mich zu und der Weg, auf
dem ich mich entlangtastete erhellte sich. Die Schwärze zu beiden Seiten war
noch da, aber in der Ferne sah ich eine Frau, umgeben von hellstem Licht stehen.
Wer mochte sie sein? Sie war wunderschön soweit ich es erkennen konnte und ich
war begierig darauf sie zu erreichen. Vielleicht könnte sie mir sagen, wie ich
zurückfinden würde. Ich rannte regelrecht los und sie lächelte mich an, als
ich sie keuchend erreichte und sie unverhohlen und mit einem Gefühl des
Wiedererkennens anstarrte.
„Mein Held.“ Jadekatzes Gesicht war
über mich gebeugt und sie lächelte mich an. „Lange habe ich gedacht du würdest
es nicht schaffen.“ Trauer breitete sich in der Erinnerung an die vergangene
Zeit auf ihrem Gesicht aus. „Wo sind wir?“ krächzte ich und wollte mich
erheben um nach meinen Waffen zu greifen und mögliche Feinde abzuwehren. Sie
drückte mich auf das Lager aus Blättern zurück. „Ruh dich aus, wir sind hier
sicher. Du warst lange dem Tod näher als dem Leben und sicherlich warst du in
deiner eigenen Welt gefangen. Denn ich sah Angst auf deinem Gesicht. Aber ausser
Beten konnte ich nichts für dich tun. Deine Verletzungen habe ich geheilt, aber
die Dämonen in deinem Inneren konntest du nur selbst besiegen.“
Beschämtheit breitete sich auf meinem harten Gesicht aus.
Sie
lächelte wieder. „Ich habe die ganze Zeit bei dir gesessen und beruhigend auf
dich eingeflüstert. Irgendwann verschwand die Panik aus deinem Gesicht und kurz
darauf schlugst du die Augen auf.“
Stöhnend richtete ich mich auf und
sie half mir dabei. Mein Blick schweifte durch die Gegend und blieb an dem Feuer
haften das neben uns brannte. Über uns war ein Dach aus Blättern errichtet. Ich
bewunderte ihre Geschicklichkeit in der Kunst des Überlebens.
Ihre
Finger tasteten über meine nackte Brust und fuhren die verschiedenen Narben nach
die sich über die Muskeln zogen. Ihr Blick klebte interessiert darauf und sie
näherte sich mir. „Du musst viele Kämpfe ausgetragen haben.“ flüsterte sie
dabei. Ich nahm ihre Arme bei den Handgelenken und bog sie auseinander so
das sie mir regelrecht entgegen fiel. Das Feuer prasselte und Regen
plätscherte auf das Blätterdach während wir uns leidenschaftlich umschlungen.
Später beugte ich mich über sie und unsere Augen trafen sich. „Mein
Leben lang sah ich zu dem Sternenzelt am Nachthimmel auf und malte mir aus wie
ich durch eine Heldentat an Skadis Seite berufen würde und mit ihr zusammen die
Sterne erreichen könnte.“ flüsterte ich. Jadekatzes Augen wurden gross und
musterten mich noch intensiver. Eine unausgesprochene Frage stand in ihnen und
ich tat ihr den Gefallen, ihr mitzuteilen was ich sagen wollte. „Nun habe ich
erkannt, das man nicht nach den Sternen greifen sollte, wenn der schönste Stern
neben einem liegt.“ Tränen traten in ihre Augen und sie umarmte mich in
tiefster Liebe. „Mein Stern...“ flüsterte ich.
.... ...
.....
Die Erinnerung an diesen schönsten Moment meines Lebens
festigte meine Entschlossenheit alle Gefahren der Welt auf mich zu nehmen,
solange ich meine Geliebte damit retten könnte.
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