DAOC-Guide.de :: Thema anzeigen - Der Findeltroll Cedrics Entscheidung

"Nein, Cedric, wir brauchen es erst gar nicht zu versuchen!"
"Warum nicht?"
Überrascht blickte Cedric seine Frau Emily an.
"Er kann nicht Kleriker werden! Lancelot ist einfach nicht fromm genug."
Mit einem Seufzen richtete sich Emily Heradon in ihrem Stuhl auf. Seit Stunden saßen die beiden schon am Küchentisch. Bisher hatten sie an diesem Ort gemeinsam alle Probleme lösen können, doch nie war es so schwierig wie dieses Mal, wo es um die Zukunft des jungen Trolls ging.
"Du erinnerst dich doch sicher, wie ich damals versuchte mit Lancelot Sonntags in die Kirche zu gehen?" fragte Emily ihren Mann.
"Ja, sicher, ich weiß es noch. Der Pastor warf ihn nach zehn Minuten raus wegen seiner Furzerei." Cedric erinnerte sich nur ungern an die peinliche Begebenheit mit dem damals fünfjährigen Lancelot.
"Seiner Verdauungsprobleme!", verbesserte sie streng und warf Cedric einen strafenden Blick zu, bevor sie fortfuhr:
"Danach habe ich Lancelot Sonntag morgens nichts mehr zu essen gegeben, damit er im Gottesdienst keine Probleme bekommt..."
" ....woraufhin sein Magen während der Messe knurrte, und das war dann doppelt so laut wie ein Trollfur", ergänzte Cedric. Ja, er erinnerte sich noch genau an den aufgeregten Pastor, der Lancelot an jenem Tag für alle Zeiten das Betreten des Gotteshauses untersagte. Der Troll fand das überhaupt nicht tragisch, eher im Gegenteil, doch seine Frömmigkeit blieb dadurch etwas unterentwickelt. Emily hatte wohl recht, überlegte Cedric. Es war sinnlos, aus Lancelot einen Kleriker machen zu wollen. Doch was seine Frau aber nun mit dem Jungen anstellte, fand ganz und gar nicht seine Zustimmung.
Cedric warf durch die offene Tür einen Blick in die Wohnstube. Dort hockte Lancelot auf einen kleinen Holzschemel, der sein Gewicht kaum zu tragen vermochte und beugte sich über ein Gewirr aus Leder, Stoffen, Fäden und Nadeln. Sein sonst so unbekümmertes, breites Gesicht wirkte angespannt und angestrengt. Mit ungelenken Bewegungen seiner großen Hände schien er dem Gewirr etwas abringen zu wollen, doch in seinen Augen spiegelte sich pure Verzweiflung.
Emily erhob sich, ging zu ihm und hob prüfend eines der Lederteile hoch:
"Ein schöner Stiefel, mein Junge. Es sind nur noch ein paar Kleinigkeiten zu ändern, aber später wirst du bestimmt ein hervorragender Schneider!", versuchte sie ihn aufzumuntern.
Lancelot hob den Kopf und schaute sie mit tiefer Hoffnungslosigkeit an:
"Mama, das ist ein Handschuh!"

In diesem Moment atmete Cedric tief durch und entschied, dem Elend ein Ende zu machen:
"Lancelot, pack deine Reisesachen und deine Keule ein! Wir reiten morgen früh!"
"Cedric, was hast du mit ihm vor?" fragte Emily in strengem Ton, während Lancelot nichts Eiligeres zu tun hatte, als die Nähsachen in die Ecke zu pfeffern und schnell aus dem Zimmer zu verschwinden.
"Emily, der Junge ist zum Kämpfen geboren, er braucht eine Keule und ein Schild anstatt Nadel und Faden. Du quälst ihn mit deiner Schneiderei!"
Selten schlug ihr Mann einen so resoluten Ton an, was Emily doch sehr verwirrte:
"Aber Cedric, es geht doch nicht! Der Rat der Waffenmeister hat gesagt...."
"Der Rat der Waffenmeister! Pah! Der besteht aus einem Haufen von Schwachköpfen! Von denen laß ich mir nicht die Zukunft des Jungen verbauen! Ob es ihnen gefällt oder nicht, ob es dir gefällt oder nicht, der Junge wird ein Waffenmeister - und wenn ich ihn selber ausbilden muß. Und damit du es weißt: Genau das habe ich vor!"
Cedric erhob sich vom Stuhl, in seinen Augen stand eine Entschlossenheit, wie Emily sie seit vielen Jahren nicht mehr beobachtet hatte. Ja, er hatte eine Entscheidung gefällt, und keines ihrer Worte würde ihn umstimmen. Als sie das erkannte, stimmte sie zu:
"Vielleicht liegt da wirklich seine Bestimmung. Zum Schneider ist er jedenfalls nicht geboren. Es wird bestimmt Schwierigkeiten geben, aber Hauptsache ist doch, das der Junge glücklich wird. Also tue, was dir richtig erscheint."

Am nächsten Morgen, während Lancelot und sein Ziehvater die Pferde beluden, kam Ryan Connor nichtsahnend vorbei. Als Cedric ihn einweihte, war er alles andere als begeistert.
"Cedric Heradon, je älter du wirst, desto größer die Schwierigkeiten, in die du dich und deine Familie bringst ! Einfach eine Entscheidung des Rates zu ignorieren... das kann böse enden!", warnte er seinen alten Freund.
"Ach Ryan, haben wir nicht zusammen schon so viele Schwierigkeiten überstanden?"
"Äh, wir? Moment, mit der ganzen Sache habe ich nichts zu tun!" Abwehrend hob Ryan die Hände.
"Sicher, das hast du nicht!",bekräftigte Cedric, "und du brauchst dich da gar nicht reinziehen zu lassen.! Lancelot und ich werden dann allein über die Hügel ziehen, Untiere erlegen, Abenteuer bestehen, Lady Nimue besuchen..."
"Lady Nimue! Ach, was waren das noch für Zeiten, damals....am tiefen See von Avalon. Ob sie wohl immer noch so schön ist?" Ryans Augen bekamen einen träumerischen Glanz, und Cedric lächelte in sich hinein, wissend, das er gewonnen hatte.
"Gut!",entschloß sich Ryan:"Jemand muß bei diesem Unfug auf dich aufpassen, also komme ich mit euch!". Cedric hatte eigentlich keine Minute daran gezweifelt.
Jetzt überlegte er, wo sie mit der Ausbildung beginnen sollten. Am liebsten wäre er sogleich nach Cornwall gezogen, aber die wehrhaften Monster dort würden einem Anfänger doch erhebliche Probleme bereiten, selbst einem so begabten Jungen wie Lancelot. Eigentlich wäre die Ebene von Salisbury ein geeigneter Anfang, doch dort wimmelte es nur so von jüngeren Kriegern aus Camelot. Es bestand also Gefahr, das ein übereifriger Wichtigtuer dem Rat der Waffenmeister meldet, das ein Sir Heradon einen Troll ausbildet. Das würde unvermeidlichen Ärger nach sich ziehen. Ryan Connor wußte zunächst auch keinen Rat, doch dann hellte sich seine Miene plötzlich auf.
"Cedric, ein Troll ist schon etwas auffällig. Es sei denn, er würde von einer Person begleitet, von dem alle Welt weiß, das sie mit allen möglichem Viehzeugs umläuft und das wäre in Albion..."
"...ein Theurg!" ergänzte Cedric. Er begann zu erahnen, was Ryan vorhatte und es behagte ihm überhaupt nicht.
"Cedricus, der große Theurg und sein einmaliges Tier! So eine Robe steht dir sicher gut zu deinen grauen Haaren" flachste Ryan," und ich kann dir auch schnell einen hübschen Theurgenstab schnitzen!"
Sein Freund verzog das Gesicht und murmelte etwas über die "verfluchten Weiberröcke des Magiergesindels", aber dann fügte er sich in sein Schicksal. Es traf sich hervorragend, das Emily noch über eine Robe verfügte, die ein Kunde nicht abgeholt hatte. Cedric zwängte sich hinein, und unter dem Lachen von Emily, Ryan und Lancelot mußte er im Damensitz sein Pferd besteigen.
Emily umarmte Lancelot: "Paß auf, das du immer ordentlich ißt, mein Junge!"
"Mama, ich komme wieder, und dann bin ich ein großer Krieger" Er hob die zierliche Schneiderin mit Leichtigkeit hoch, umarmte sie und gab ihr einen schmatzenden Kuß:"Eines Tages wirst du stolz auf mich sein!", rief er noch und dann ritten sie los.
"Das bin ich doch jetzt schon" sagte sie leise, als die drei es nicht mehr hören konnten Da ritten sie nun Richtung Süden, zwei grauhaarige Waffenmeister, einer davon gekleidet wie ein Theurg und ein großer, junger, tatendurstiger Troll, der vor Freude am liebsten gejubelt hätte. Was für seltsame Gefährten, dachte Emily und wünschte ihnen im Stillen alles Gute und das sie heil zurückkehren mochten. An jenem Abend ahnte sie nicht einmal, wie sehr ihre Männer diese Wünsche noch brauchen würden.

Sie waren vielleicht drei Stunden Richtung Süden geritten, hatten Cotswold passiert und fast die Prydwenbrücke erreicht, als Cedric vorschlug, eine kurze Rast zu machen.
Ryan schwang sich elegant aus dem Sattel, Lancelot plumpste eher wie ein nasser Sack herunter. Sein Pferd schnaubte erleichtert, denn der Troll als Passagier war ein hartes Stück Arbeit für den Vierbeiner. Cedric rutschte vom Sattel und rieb sich mit schmerzverzerrten Gesicht den Allerwertesten, der vom ungewohnten Reiten im Damensitz stark mitgenommen war. Dabei grübelte er, ob die anderen Robenträger auch immer Blasen am Hintern bekommen?
Neben ihnen ragte der mächtige Bindestein empor, und für Cedrics Geschmack hielt sich hier viel zu viel Volk auf: Zauberer, Waffenmeister, Kleriker und Kämpfer übten gerne in der Nähe der Brücke ihre Fähigkeiten. Nun gut, irgendwann mußten sie ihre Tarnung erproben. Also setzten sie sich ins Gras und beobachteten das Treiben. Cedric interessierte sich besonders für die Theurgen: Wie bewegen sie sich? Wie setzen sie ihren Stab ein und was machen sie mit ihren Tieren? Herrje, das ganze Gefuchtel sah ganz schön kompliziert aus! Jetzt fand er Ryans Idee ganz und gar nicht mehr so überzeugend. Er würde niemals als Theurg durchgehen.
"Papa, Onkel Ryan, schaut doch mal da!"
Mit leuchtenden Augen wies Lancelot auf den nahegelegenen Hügel. Dort kämpften zahlreiche Krieger und Magiekundige gegen gewaltige Steinlinge, die mit donnerndem Getöse den Hügel herunterpolterten. Der Troll schaute begeistert zu und klopfte ungeduldig mit der Keule gegen den Boden.
"Bitte, Papa, können wir nicht mitmachen?!" quengelte er.
"Mmmmh, Lancelot, du hast auch alles verstanden, was ich dir vorhin erklärt habe?"
Cedric schaute den Jungen ernst an: "Es ist wichtig, also wiederhole es bitte noch mal!"
"Also ich bin dein Tier und darf kein Wort sagen und wenn du mit dem Stab auf etwas zeigst, renne ich hin und mach es kaputt!" sagte Lancelot mit strahlender Miene auf. Hatte er nicht gut aufgepaßt und sich alles gemerkt?
"Ja, das war schon das Wichtigste. Dann komm mal mit!"
Stöhnend erhob sich Cedric und schritt auf den Hügel zu, dicht gefolgt von dem erwartungsfrohen Lancelot.
"Jetzt wird die Welt Cedricus den Theurgen kennenlernen!" flüsterte Ryan grinsend, zog sein Schwert und folgte den beiden, wer wußte denn, ob dieses Unternehmen gut gehen würde?
Am Fuß des Hügels hob Cedric beide Arme und versuchte zunächst, die vielen Kringel und Kreise nachzuahmen, die er bei den anderen Theurgen gesehen hatte. Dann fuchtelte er mit dem Stab angestrengt in der Luft herum. Ryan hatte sein Schwert längst fortgeworfen und lag gekrümmt vor Lachen im Gras, währen Lancelot ungeduldig auf den Stab starrte wie ein Hund, der darauf wartet, dass ein Knochen fortgeworfen wird.
Jetzt deutete Cedric mit dem Stabende auf den am nächsten stehenden Steinling. Endlich!, dachte sich Lancelot und rannte los. Der bedauernswerte Steinlinge ahnte ja nicht, was da auf ihn zukam, und hüpfte drohend und wütend in Richtung des ungewöhnlichen Angreifers. Fein!, freute sich der Troll, das verkürzt den Weg! Und er hob seine Keule und schlug genußvoll zu, mehrfach erklang ein kraftvolles - Bumm - und Momente später rollten und kullerten die Reste des steinernen Riesen zu Lancelots Füßen den Hügel hinab.
Zwei weitere Steinlinge eilten wutschnaubend herbei, um kurz darauf das gleiche Schicksal zu erfahren. Lancelot schaute sich um. Das hatte Spaß gemacht! Aber war das schon alles? Da oben stehen ja noch welche! Er könnte vielleicht schnell hochlaufen, ganz kurz nur.....
"Tier, komm zurück!" erscholl Cedrics kraftvolle Stimme. Etwas enttäuscht gehorchte der Troll und setzte sich brav wieder zu Cedrics Füßen.
Alle Kämpfe am Hügel hatten aufgehört. Die Augen der Krieger, Magier und Kundschafter waren nur noch auf diese seltsame Gruppe gerichtet, den merkwürdigen Theurgen und sein höchst bemerkenswertes Tier. So etwas hatte es hier am Hügel der Prydwenbrücke noch nie gegeben. Sie tuschelten miteinander. Ein Troll als Tier! Und er hat drei Steinlinge einfach erledigt, ohne einen einzigen Kratzer! Und diese Kampftechnik! Einige kamen neugierig näher, vor allem die Theurgen. Ehrfurchtsvoll bestaunten sie Lancelot, umkreisten ihn und Cedric neugierig, bis einer von ihnen sich tief verbeugte und zu fragen wagte:
"Sagt uns, Meister Cedricus, woher habt ihr dieses herrliche Tier?" Cedric erkannte in seinen Augen neben Neid und Bewunderung den gierigen Wunsch, auch so einen Troll als Tier zu besitzen. So sind sie eben, die Theurgen - zuallererst geht es ihnen darum, ein besseres, schöneres, stärkeres Tier als die Kollegen zu haben! Nach einer angemessenen Verbeugung, die seine enge Robe fast platzen lies, antwortete Cedric:
"Er ist einzigartig, Meister Rudric, ihr müßt einen sehr jungen Troll haben und dann mit viel Liebe und Geduld aufziehen!"
Geduld? Rudric wollte diesen Troll aber jetzt!
"Wäret ihr eventuell bereit, euer Tier gegen einen angemessenen Preis zu ... äh...veräußern?" fragte Rudric: "Sagen wir vielleicht 100 Goldstücke?"
Das war viel Gold, aber Theurgen sind reich und Rudric mußte einfach so ein Tier haben.
"Ich geb euch 150 Gold!" warf ein nebenstehender Robenträger ein.
"200" bot der nächste.
"300",
"gehe auch bis 400",
überboten sie sich gegenseitig und es fing ein großes Durcheinander und Geschreie an. Fast hätten sie sich aufeinander gestürzt, da ergriff Cedric laut das Wort:
"Ruhe bitte, meine Herren, mäßigen sie sich. Dieser Troll ist unverkäuflich! Selbst wenn ich ihn verkaufen wollte, was ich aber nicht will - er erkennt keinen anderen Herren an und würde mit Ihnen ähnlich verfahren wie mit den Steinlingen soeben!"
Um Cedrics Worte zu unterstreichen, knurrte Lancelot einmal drohend in die Runde und ließ dann einen ohrenbetäubenden Furz los. Erschrocken wichen die Theurgen zurück.
"Aber ich möchte doch so gerne auch so einen Troll haben!" jammerte Rudric.
"Dann geht ins Grenzland und holt Euch selber einen! Meinen Troll bekommt ihr jedenfalls nicht. Einen schönen Tag noch", beschloß Cedric das Gespräch und bewegte sich schnell mit Lancelot und Ryan zu den Pferden, nur weg von diesen aufdringlichen Theurgen.

Jene standen noch lange am Hügel und debattierten über Cedrics Vorschlag, sich im Grenzland einen Troll zu fangen. In ihrer Gier entschlossen sie sich tatsächlich zu dieser ungewöhnlichen Reise. Was später aus ihnen wurde, hat sich niemals endgültig klären lassen, es gibt Gerüchte, das sie in den Töpfen einiger erboster Trollmamas landeten. Aber das ist eine andere Geschichte...