DAOC-Guide.de :: Thema anzeigen - Der Findeltroll Was soll aus dem Jungen bloß werden?

Cedric Heradon war wütend. Ryan Connor konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, seinen Freund jemals so verärgert erlebt zu haben. In den vergangenen drei Jahrzehnten hatten sie schon viele unglaubliche und haarsträubende Situationen überstanden. Aber immer war Cedric der Bedächtigere, der Ruhigere von beiden gewesen und nun schimpfte und zeterte er wie ein alter Flußgoblin, dem ein fetter Fisch gestohlen wurde:
"Ryan, es ist ungerecht, ungerecht und nochmals ungerecht! Hat denn mit König Artus auch die Vernunft unser Reich verlassen? Kein Wunder, wenn die Hibernianer und Midgarder eine Festung nach der anderen besetzen..."
"Nun reg dich nicht so auf, alter Knabe", versuchte Ryan seinen Gefährten zu beruhigen. Ohne Erfolg, denn Cedric meckerte weiter:
"..solange der Rat der Waffenmeister in Albion nicht mehr Verstand zeigt als eine betrunkene Horde Steinlinge? Natürlich rege ich mich auf! Unpassend haben sie es genannt! Unangemessen! So ein verdammter Unsinn!"
"Es wird doch noch andere Möglichkeiten für den Jungen geben, es wäre ja schön gewesen für ihn, aber...", Ryan seufzte: "...Sieh es ein, Cedric! Sie wollen nun mal keinen Troll als Waffenmeister. Die Entscheidung ist gefallen, wir müssen etwas anderes für ihn finden."
Cedric brummte verärgert:
"Pah, unsere Ritter mögen prächtige Rüstungen haben, Ryan, aber wenn du an ihre Helme klopfst, klingt es wahrscheinlich verdächtig hohl darunter!"
Es war auch einfach zu dumm! Wie sollte er es Lancelot nur beibringen? Der Junge wollte doch Waffenmeister werden, und was wäre er für einer geworden, dachte ein schwer enttäuschter Cedric. Was wäre sein Lancelot für ein Kämpfer geworden! Mit seinen fünfzehn Sommern schon gut einen Kopf größer als Cedric, konnte er es inzwischen an Kraft mit jedem anderem Krieger aufnehmen. Hatte er nicht letzte Woche spielend den Schmied im Armdrücken besiegt, und der hatte schließlich Arme so dick wie Cedrics Beine! Und geschickt war Lancelot auch. Seit Jahren schon jagte er mit dem kleinen Luka in der Umgebung, und angesichts der Beute, die beide Jungen nach Hause brachten, erblaßte so manch erfahrener Krieger vor Neid.
Cedric hatte gehofft, den Rat seine Zustimmung abringen zu können, er hatte ihnen die Vorzüge und Talente des Jungen in den leuchtendsten Farben geschildert. Gut, es war eine neue Idee! Niemals zuvor hatte jemand beantragt, einen Troll zum Waffenmeister auszubilden. Doch sie hatten ihn nur angesehen, schweigend, verwundert, der Argwohn ihrer Gesichter spiegelten sich in den hochglanzpolierten Schilden - manche waren sogar amüsiert über die ganze Angelegenheit!
"Seht doch, Sir Heradon, es geht schon darum nicht, weil Ihr in ganz Albion keine passende Rüstung für einen Troll finden werdet!" hatte Hauptmann Alphin spöttisch angemerkt. Das laute Lachen der Waffenmeisterzunft klang Cedric noch im Ohr. Schon bei der Erinnerung daran kochte sein Zorn wieder hoch. Als Antwort auf Alphins Worte hatte er sofort mit der Faust auf den Tisch gehauen und gebrüllt:
"Was braucht er eine Rüstung?! Alphin, gebt dem Jungen ein Jahr und dann zerknautscht er Euch Euren hübschen Brustpanzer, mit Rüstung oder ohne!
Alphin erwiderte darauf mit mühsamer Beherrschung:
"Cedric Heradon, ich spreche für alle hier versammelten Waffenmeister. In Anbetracht Eurer Verdienste werden wir Euch dieses verrückte Ansinnen nachsehen, aber merkt Euch Eines!"
Dann hatte er Cedric scharf angeschaut:
"Wir sind Ritter Albions, Erben und Nachfolger des großen König Artus. Wir kämpfen für unsere Ideale, für eine höfische und edle Kultur der Ehre und Ritterlichkeit, mit der sich Albion leuchtend abhebt gegenüber Midgards barbarischen Horden. Und da verlangt Ihr im Ernst, das wir einen Troll in unsere Reihen aufnehmen? Habt ihr denn völlig den Verstand verloren?"
Die Versammelten brummten zustimmend und Cedric spürte, wie sich die Stimmung gegen ihn kehrte. Alphin fuhr fort:
"Eher stürze ich mich alleine auf den Goblinhügel, als das ich einen stinkenden, furzenden Troll als Gefährten an meiner Seite dulde!"
Beifälliges Klatschen erklang.
"Verdammt! Hier stinken manche Dinge mehr zum Himmel als ein kräftiger Trollfurz!" hatte Cedric noch laut gebrüllt, bevor er hilflos und mit wütenden Türenknallen den Ratssaal verließ. Doch es half alles nichts, und so ritten zwei niedergeschlagene alte Kämpfer in der Abendsonne von Camelot in Richtung Humberton.

Lancelot schaute unglücklich zu Boden, als Cedric ihm die schlechte Nachricht überbrachte.
"Aber warum denn nicht?"
Er wäre so gerne gemeinsam mit Luka nach Camelot gegangen. Luka wollte Kundschafter werden, und beide hatten oft davon geträumt, wie sie Seite an Seite wilde Kämpfe gegen Hibernianer und Midgarder bestehen würden.
"Sie denken halt...sie haben gesagt..." Ach verflucht, wie erkläre ich ihm das nur? quälte sich Cedric.
"Weil sie einfach dumm sind, mein Junge. Aber laß den Kopf nicht hängen, wie versuchen etwas anderes. Es gibt schließlich nicht nur Waffenmeister in Albion!"

Er probierte es zunächst bei Lieutenand Ryderracc, einem Kundschafterausbilder und altem Freund. Doch nach einer Woche Probezeit bat der Lieutenand Cedric zu einem Gespräch.
"Schaut, Cedric, es geht so nicht!" erklärte er mit tiefen Seufzten,
"Nicht weil der Junge ein Troll, ist, das ist es nicht, wir Kundschafter schauen nie so auf den Stall. Und der Junge gibt sich ja auch Mühe, aber..."
"Was aber?" fragte Cedric enttäuscht.
"Na, bring mal einem Troll bei, sich zu tarnen! Es funktioniert einfach nicht. Irgendwas schaut immer aus der Tarnung hervor wie unter einer zu kurzen Decke. Der Kopf oder die dicken Füße oder die Keule. Er ist einfach zu groß dafür!" Ryderracc rang verzweifelt die Hände, "...und selbst wenn die Tarnung gelänge: Sein Gewicht kann er nicht lautlos bewegen, jede stocktaube Oma hört ihn auf eine halbe Meile kommen. Es geht nicht, Cedric, so ein Kundschafter wäre im Feindesgebiet nach kürzester Zeit erledigt."

Nach dieser kurzen und erfolglosen Kundschafterkarriere versuchten Cedric und Lancelot es bei Berwick, dem Minnesänger. Doch auch dort bestellte der Meister nach wenigen Tagen Cedric ein. Ohne viele Worte zu verlieren, wies er auf einen Haufen demolierte Trommeln, Flöten und Lauten zu seinen Füßen.
"Warst du das, Lancelot?" fragte Cedric leise. Der Angesprochene schaute beschämt auf den Boden und nickte langsam.
"Da seht Ihr das Resultat seiner musikalischen Bemühungen!" zeterte Berwick und fuhr fort:
"Aber das ist nicht alles, Sir Cedric. Es kommt hier und da mal vor, das den jungen Sängern Instrumente kaputt gehen, wenn auch selten in dieser Menge", er räusperte sich,"Aber vor allem was das Lyrische angeht, ist der Troll für die Dichtung Albions nicht zu gebrauchen!"
"Wieso, ein paar Liedchen zu schreiben kann doch nicht so schwer sein?"
"Liedchen!!!"
Berwick schnaubte empört:" Unsere Lieder feuern die Kämpfer an, erleuchten ihren Geist, stärken ihren Mut. Und was macht Euer Troll daraus? Gestern hat er sein erstes Lied geschrieben. Wollt Ihr es hören?" fragte er drohend.
"Nur zu, warum nicht?"
"Gut, Lancelot, trag dein Lied vor!" sagte Berwick und zögernd deklamierte Lancelot:
Ein Goblin kroch auf einen Stein
Und wärmte sich im Sonnenschein
Da kam ein Troll
der fand das toll
Haut einmal drauf
Und ißt ihn auf!

Cedric hielt die Hand vor den Mund, um das Lachen zu unterdrücken. Berwicks Augen blitzten ihn voller Empörung an:
"Ihr lacht? Zum Heulen ist das! Viel mehr als der Junge scheint Ihr auch nicht viel davon zu verstehen. Geht! Geht, nehmt Euren Troll mit und kommt niemals wieder."
Und als die beiden schon ein paar Schritte zurückgelegt hatten, rief Berwick noch laut hinterher:
"Und im Namen aller Götter und der Sangeskunst, laßt ihn nie wieder ein Lied schreiben!"

"Noch ist nicht alles verloren, mein Junge", versuchte Cedric den arg geknickten Lancelot wieder aufzurichten:
"Wir können es noch mit der Zauberei probieren!" Lancelot nickte eifrig.
Und so führte sie ihr Weg zur ehrwürdigen Zaubererakademie in Camelot. Misstress Ladriel zeigte sich außerordentlich skeptisch, aber dann durfte der ungewöhnliche Adept es zumindest einmal versuchen. Dieses Mal wurde Cedric nicht nach Camelot bestellt. Bereits am dritten Tag erschien die verärgerte Ausbilderin mit dem Troll an der Hand vor dem Hoftor der Heradons.
"Sir Cedric, hier habt ihr ihn zurück!" rief sie laut, noch bevor sie mit Lancelot den Eingang erreicht hatte.
"Warum diesmal?" fragte er müde. Er erkannte an ihrer Miene, das auch dieser Versuch kläglich gescheitert war und wollte es nur noch kurz machen.
"Warum? Nun, laßt es mich so sagen: Von unsere Sprüchen hat er keinen einzigen gelernt, aber ich würde ihn nicht völlig unbegabt nennen!", bemerkte sie spitz und fuhr fort,
"Zumindest beherrscht er einen Zauber - er kann machen, das die Luft schlecht riecht! Und ich versichere Euch, darin ist ein schon ein wahrer Meister!"