DAOC-Guide.de :: Thema anzeigen - Der Findeltroll Die Macht des Steins

"Der Stein muß hier irgendwo sein, durchsucht alles!" schrie Cedric noch einmal.
Nur wenige Meter vom toten Körper des Drachens entfernt erhob sich ein gewaltiger, mannshoher Haufen aus Unrat und alten Knochen. Alle stocherten jetzt hektisch mit ihren Speeren und Schwertern durch den stinkenden Berg, in dem sich wie eine Chronik der Jahrhunderte all die Beute der gierigen Maryla angesammelt hatte: kostbare Schwerter, Schilde, Juwelen....aber all das warfen sie mit verächtlicher Geste beiseite. Jetzt galt es nur noch, diesen Stein zu finden.
"Wie sieht das verdammte Ding denn aus?" fragte Luka.
"Ist ein Stein, schwarz, glänzt und passt gut in Trollhand" antwortete Radak.

Cedric blieb bei Ryan. Erschrocken stellte er fest, das der verletzte Waffenmeister immer flacher atmete. Schon fühlte sich seine Hand kalt an, und sein Gesicht wurde bleich.
"Ryan Connor, alter Halunke, bleib gefälligst hier, du kannst doch jetzt nicht abhauen!" rief er verzweifelt, doch Ryan schien ihn nicht mehr zu hören.

"Hier ist er! Habe gefunden schwarze Stein!"
Einer der jungen Trolle riß stolz den Arm hoch, in der Hand einen kohlschwarzen, ovalen Stein.
"Gib her!" Mit einer schnellen Bewegung nahm ihm Radak den Fund aus den Fingern, warf einen kurzen Blick darauf und rannte mit schnellen Schritten zu dem verletzten Ryan. Die anderen folgten ihm. Radak öffnete die Handfläche. Aufgeregt drängten sich Trolle und Menschen, um einen Blick auf den geheimnisvollen, magischen Gegenstand zu werfen.
Es schien nur ein Stein zu sein. Vielleicht etwas schwärzer, etwas glatter, etwas glänzender als ein Bachkiesel. Doch wo war das Besondere daran? Manch einer schaute enttäuscht. Dafür hatten sie soviel riskiert?
Doch da! In der Hand des alten Trolls begann der Trollstein zu leuchten, ein rötlicher Schimmer erschien in der Mitte, verstärkte sich zu den Rändern, wechselte die Farbe zu einem kräftigen Blutrot. Verwunderte Ausrufe wurden laut, doch Radak ließ sich nicht ablenken, konzentrierte sich weiter auf den Stein, der jetzt tiefrot leuchtete und in seiner Hand pulsierte wie ein schlagendes Herz.
"Es ist soweit" sagte er, kniete sich an Ryans Seite nieder und legte ihm ganz vorsichtig den Stein auf die bleiche Stirn.
Das rote Leuchten sprang sofort auf den gesamten Körper über. Unvermittelt traten alle einen Schritt zurück, auch Cedric. Jetzt galt es zu warten und zu hoffen.

Ryan Connor stand am Ufer eines Sees. Wie war er nur dahingekommen? Gerade war da doch noch der Drache, gegen den sie gekämpft hatten? Er fühlte sich seltsam leicht, fast schwerelos. Erstaunt stellte Ryan fest, das er keine Verletzungen mehr spürte. Wo war er? Das Wasser kräuselte sich, und eine Frauengestalt erhob sich langsam aus der Tiefe. Jetzt erkannte er den Ort. Es mußte Nimues See sein. Sie öffnete die Arme und schien ihm zuzuwinken. Nimue, wie schön sie immer noch war! Ryan machte einen Schritt in ihre Richtung, auf das Wasser zu. Warum versank er nicht? Aber das war nicht wichtig jetzt. Langsam schritt er weiter.
Von Ferne drang eine vertraute Stimme an sein Ohr. Cedrics Stimme:
"...alter Halunke, bleib gefälligst hier!"
Ryan hielt an, versuchte sich umzudrehen, doch es gelang nicht. Was wollte Cedric nur? Ryan Connor wollte auch gar nicht umkehren. Dieser Traum war einfach zu schön, Nimue winkte ihm zu...und er wünschte sich, Cedric Heradon würde ihn dieses eine Mal in Ruhe lassen.
Plötzlich riß ihn etwas weg, Nimue schien sich rasend schnell zu entfernen, das Blau des Sees verblaßte, alles wurde erst grau, dann schwarz. Er hörte etwas, was wie aufgeregtes Trollgeschnatter klang, dazwischen immer wieder Cedrics Stimme:
"Er wird wach! Es hat funktioniert! Ryan, wach auf, sag was!"
Als er die Augen öffnete, blickte er als erstes in das bärtige Gesicht seines alten Freundes. Einige Sekunden war er etwas benommen, dann begriff er langsam, was geschehen sein mußte und zwang sich ein schiefes Grinsen ab:
"Cedric Heradon, du hast mir gerade ein Rendezvous mit einer wunderschönen Dame versaut!"
Cedric lächelte erleichtert. Wo immer er auch gewesen sein mochte, Ryan Connor war offensichtlich wieder zurückgekehrt.
Die Wirkung des Stein war mehr als verblüffend. Sämtliche Verletzungen, auch die Brüche und Prellungen waren wie durch Zauberhand innerhalb der wenigen Minuten verschwunden, in denen Ryan dem Einfluß des Steins ausgesetzt war. Er schien nicht einmal besonders erschöpft, sondern erhob sich, strich seine Kleidung glatt und blickte irritiert in die ungläubig staunenden Gesichter um ihn herum.
"Was schaut ihr mich so an wie einen Geist? Habt ihr nichts Besseres zu tun? Wir müssen endlich mal diese Träne des Trolls finden, oder?"
"Haben wir schon, Ryan, das haben wir schon!" sagte Cedric leise.

Radak rief Lancelot zu sich.
"Hier! Du brauchen Trollstein, also nehmen Trollstein"
Er öffnete Lancelots Hand und legte den Stein hinein. Jetzt sah er wieder aus wie ein gewöhnlicher schwarzer Kiesel.
"Aber nicht vergessen: Ist Stein von Wildtrolle. Wenn nicht mehr brauchen, bringen zurück. Du versprechen?"
"Ja, sicher!" antworte der überraschte Lancelot, "Aber ich weiß nicht, wie man ihn verwendet, Radak!"
"Gibt nichts zu wissen. Stein selber wissen. Du haben gesehen, wie geht", antwortete sein Onkel:
"Nehmen einfach in Hand und wünschen, das funktioniert. Dann Stein auch funktioniert"
"Danke, Radak, danke!"
Lancelots Hand schloß sich fest um die Träne des Trolls, "Ich werde ihn euch zurückbringen, das verspreche ich!"

Drachenschätze und Midgardzöpfe

Jetzt nahmen die siegreichen Kämpfer die Schätze des toten Drachen etwas genauer in Augenschein. Es war für jeden etwas dabei: Luka fand einen hervorragenden Bogen, Lancelot fischte aus dem Haufen der Drachenschätze eine kostbare Kette, von der er hoffte, daß sie Fialla gefallen würde. Cedric und Ryan suchten sich zwei schöne Kurzschwerter aus, und Bohlen schaffte es, mit Hilfe einiger Trolle eine Drachenschuppe von Marylas totem Körper zu trennen.
"Daraus mache ich mir einen Schild!", rief er begeistert und verstaute die sperrige Beute in seinem Gepäck.
Die Trolle interessierten sich dagegen hauptsächlich für den toten Drachen selbst, hieben große Stücke Fleisch aus dem leblosen Körper und balancierten diese Last sicher über die Steinbrücke zurück zum Ausgang.

Es fanden sich Unmengen von Juwelen in dem Drachenlager, in allen Farben, in allen Sorten. Diamanten und Rubine, Opale, Smaragde, Saphire und Topase - Die alte Drachendame schien eine Vorliebe für schöne, glänzende Dinge gehabt zu haben. Radak füllte ein paar Beutel davon ab und jeder der Menschen erhielt einen. Der Inhalt eines jeden Beutels würde den Besitzer in Albion zu einem sehr wohlhabenden Mann machen.
Als sie die Drachenhöhle verließen, blickte Cedric angespannt nach Westen, wo die Abendsonne gerade hinter den Bergspitzen versank. Schnell rechnete er nach: Drei Tage und drei Nächte waren seit ihrem Aufbruch aus Camelot vergangen, vor ihnen lag die vierte Nacht. Am Abend des dritten Tages, von nun an gerechnet, mußte der Stein in Camelot sein, sonst würde ihre Mission scheitern. Und der Weg dahin war noch so weit!
"Radak, wir werden euch noch heute abend verlassen", wandte er sich an den alten Troll, "Wir sind sehr in Eile!"
"Hmmh, schade das ist!" brummte der Angesprochene enttäuscht, "Dachte wir machen alle großes Fest und essen gemeinsam tote Maryla auf. Drachenfleisch sehr lecker!"
Noch bevor sie das Lager erreichten, rannte ihnen aufgeregt ein junger Troll entgegen:
"He, Radak, wir wieder Besuch haben! Kommen Weichhäute und Trolle durch versteckte Höhle!"
"Das müssen Tonka und seine Leute sein", vermutete Cedric, "Es war zu erwarten, dass sie nicht so schnell aufgeben und irgendwann den Eingang finden. Was habt ihr mit ihnen angestellt?"
Der junge Troll grinste breit:
"Kommen nacheinander durch dunkle Höhle, wir ihnen nacheinander auf Kopf hauen und festbinden. Sind vielleicht noch zweimal zwei Hände von Leuten, viele Weichhäute darunter!" Er leckte sich die Lippen, "Ist viel Vorrat für Fleischkessel, Radak! Wir nur noch auf euch warten, dann können beginnen Abendessen"
Radak winkte ab:
"Ach was, Junge. Nicht essen Weichhäute heute. Haben Besseres!" Er wies zur Drachenhöhle:
"Haben Drachenfleisch!"
Der junge Troll jubelte und lief sofort zum Dorf zurück, um allen die gute Neuigkeit mitzuteilen. Die einzigen Rauchwölkchen, die diese alte böse Drachendame noch zustande bringen würde, würden die Rauchfahnen über den Töpfen der Trolle sein.
Die Dorfgemeinschaft begrüßte sie unter großem Jubel. Am Rande des Versammlungsplatzes erkannte Cedric etwa zwei Dutzend gefangene Midgardkrieger. Sie saßen gutverschnürt Rücken an Rücken und schauten etwas verunsichert auf die wilde Trollmeute. Einzig Tonka schnaubte vor Wut, als er seine Feinde erblickte. Vor allem über Bohlen, den er als echten Nordmann erkannte, entlud sich sein Zorn:
"Verräter! Du Schwein! Machen gemeinsame Sache mit albionischen Spionen. Verflucht du sein, möge Odin dich zerschmettern!"
"Klappe halten!", sagte Lancelot und gab dem wütenden Tonka einen Klaps auf den Kopf, "Sonst Kochtopf, kapiert?"
Bei Bohlen lösten Tonkas Worte jedoch Nachdenklichkeit aus. War er wirklich ein Verräter? Er kam sich eigentlich nicht so vor. Bisher hatte doch noch niemand durch sein Verhalten Schaden genommen. Und was die gefangenen Midgardkrieger anging....er ging zu Radak.
"Radak, äh....ich hab da ein Problem"
Der alte Troll schaute ihn überrascht an.
"Was du wünschen?"
"Ach, diese Midgarder hier...", seufzte der Skalde, "das sind eigentlich meine Leute. Also aus Midgard eben, aus meinen Reich. Obwohl sie andererseits Feinde sind. Die richtigen Feinde sind die Albionier, eben Cedric und die anderen, die aber so etwas wie meine Freunde sind".
"Komplizierte Welt bei den Weichhäuten", stöhnte der Troll und bemühte sich angestrengt und vergebens, den verworrenen Ausführungen des Sängers zu folgen: "Du einfach sagen, was wollen von Radak, eh?"
"Vielleicht könntet ihr sie wieder laufen lassen, so in zwei, drei Tagen vielleicht?"
"Mmmmh", brummte Radak, "Naja, das eigentlich nicht Tradition. Aber du singen so schön schrecklich für Drache, du sollen bekommen erfüllt seltsamen Wunsch. Außerdem - wir jetzt so viel zu essen, nicht noch brauchen Weichhäute"
Die Vorbereitungen für das Fest waren in vollem Gange, doch die Albionier und auch Bohlen rüsteten sich für die Reise. Der Sänger hatte beschlossen, seine Gefährten durch das Grenzland zu begleiten. Wenn die Trolle Tonka wieder freiließen, schien es ihm sicherer, sich nicht im Kernland Midgards aufzuhalten. Er warf einen prüfenden Blick auf die Albionier.
"Cedric, ihr seht immer noch nicht so aus wie Nordleute! Besonders Luka nicht!" bemerkte er.
"Ja, aber was können wir dagegen tun?"
Luka schaute sich um und seine Augen blieben an den gefangenen Midgardern hängen. Es waren Nordleute darunter, mit prächtigen langen Zöpfen und kunstvoll geflochtenen Bärten.
"So eine Haartracht müßte man haben!", dachte sich der Kundschafter und es kam ihm eine Idee. Er zückte sein Jagdmesser und schritt auf die Gefangenen zu.
Ein junger Midgarder mit schulterlangen, roten Zöpfen und einem ebenso langem Bart schaute ihn ängstlich an, als Luka sich mit dem Messer in der Hand näherte. Dann zwei, drei schnelle Schnitte, ein spitzer, entsetzter Schrei, und Luka schwang seine Trophäen in der Hand: Die beide Zöpfe und das Barthaar baumelten zwischen seinen Fingern.
"Ich wollte immer schon einmal rote Haare haben!" rief er laut. Cedric und Ryan lachten und folgten seinem Beispiel. Noch zwei weitere bedauernswerte Midgarder mußten sich von ihrem Haarschopf trennen, damit sich auch die beiden Waffenmeister endlich in ansehnliche Nordleute verwandeln konnten. Die geschorenen Midgarder saßen da wie gerupfte Hühner und schimpften wie die Rohrspatzen, während sie hilflos zusehen mußten, wie ihre Haare mit einer Mischung aus Baumharz und Honig an die Köpfe der Albionier geklebt wurden. Bohlen legte noch letzte Hand an, damit das Resultat möglichst glaubwürdig wirkte. Große Helme verdeckten die Stellen, die noch nicht ganz so überzeugend aussahen. Stolz betrachtete er das Werk: Luka hatte sich in einen feuerroten Donnerkrieger verwandelt, Cedric schüttelte probehalber seine schwarze, bezopfte Mähne und wirkte genau so furchterregend wie der hagere Ryan mit seinem jetzt schlohweißem, buschigen Bart.
"Bei Bragi! Selten sah ich so stattliche Midgarder Streiter!" lachte Bohlen.
So verabschiedeten sie sich von Radak und den Trollen. Doch bevor sie mit ihren Pferden in Richtung Höhle aufbrachen, nahm der alte Troll Lancelot noch einmal beiseite und drückte ihm einen großen Extrabeutel Juwelen in die Hand und sagte:
"Eh, du müssen ja kommen wieder wegen Stein, nicht wahr? Vielleicht du können erledigen kleine Sache für Radak?"
Auf den überraschten Blick des Jungen erklärte er:
"Können vielleicht mitbringen so schöne Rüstung wie deine? Klunker da werden wohl reichen, oder? Wenn geht, Neffe, dann vielleicht in Weiß? Weiß schöne Farbe!"
"Aber ja, Radak, ich will es versuchen!" sagte Lancelot lachend.

"Aufbruch!" rief Cedric laut und sie führten ihre Pferde in die dunkle Höhle.
Als sie den Ausgang im Muspelheimer Tal erreichten, war es bereits Nacht, im fahlen Mondlicht konnten sie den Weg kaum erkennen, doch sie schwangen sich in die Sättel und ritten zunächst die Strecke zurück, auf der sie kamen. Hinter der Muspelheimer Brücke schlug Bohlen vor, durch das Mularntal hindurchzureiten, an Jordheim vorbei, dann über Ostsvealand in den Westen zu der dortigen Grenzfeste. Dieser Weg war etwas kürzer als über Svasud, und Cedric hielt ihn auch für sicherer, denn in Svasud würden die Wachen sie vielleicht wiedererkennen.
So ritten sie durch die Nacht Richtung Süden, und jeder Hufschlag der Pferde brachte sie näher an Albion heran, wo ihre Rückkehr bereits verzweifelt erwartet wurde.